Seit Juli 2016 können in der Stadt Zug Dienstleistungen der Einwohnerkontrolle bis zu einem Gegenwert von 200 Franken mit Bitcoin bezahlt werden. An einer öffentlichen Stelle mit einer Digitalwährung Zahlungen vornehmen - das war ein weltweites Novum. In diesem September legt Zug nun mit einem neuen Projekt los, dem der digitalen Identität (ID). Dafür wird die neue Blockchain-Technologie verwendet. Dabei handelt es sich um eine riesige, verschlüsselte Textdatei, die sämtliche Transaktionen dezentral und transparent speichert. Mit ihr sollen Zeitgewinne und vereinfachte Abläufe möglich sein. Der Zuger Stadtpräsident Dolfi Müller (62, SP) gibt Auskunft.

cash: Herr Müller, nach der Einführung der Digitalwährung Bitcoin als Bezahlmöglichkeit im letzten Jahr hat die Stadt Zug nun ein neues Projekt lanciert: Die digitale Identität basierend auf der Blockchain-Technologie. Was steckt dahinter?

Dolfi Müller: Die digitale Identität ist nichts anderes als ein digitaler Pass, um staatliche Dienstleistungen abwickeln zu können. Ohne digitale ID hat man ein riesiges Datenwirrwarr. Man braucht im Internet etwa 15 verschiedene Zugangscodes, die alle wieder vergessen gehen. Im besten Fall braucht es nun für die digitale ID einen Schlüssel für das ganze Netz.

Digitale Identitäten sind nichts Neues...

Unsere digitale ID, und das ist entscheidend, basiert auf der Blockchain-Technologie. Der Benutzer hat so die volle Herrschaft über seine Daten. Er kann steuern, was herausgegeben wird und was nicht. Bezüglich Datensicherheit ist Blockchain allen bisherigen Technologien überlegen.

Haben sich schon Leute registriert?

Im Juli kündigten wir die digitale ID für September an. Es ist nun noch eine Frage von wenigen Tagen, bis das ganze effektiv operativ ist und man sich registrieren kann.

Was kann man mit der digitalen Identität  konkret machen?

Die digitale ID ist nur der Schlüssel zu den eigentlichen Anwendungsfällen. Wir denken derzeit darüber nach, dass damit Stadtvelos ohne Hinterlegung von Depots gemietet werden können. Andere Möglichkeiten sind elektronische Abstimmungen und das Zahlen von Bussen sowie Parkgebühren.

Also kann in Zug künftig bei Volksabstimmungen übers Smartphone abgestimmt werden?

Das geht nicht, da gäbe es regulatorische Probleme. Nach unserer Ankündigung des E-Votings bekam ich prompt eine E-Mail aus Bern. Sie versicherten uns jedoch, dass elektronische Umfragen kein Problem darstellen würden. Auch rein konsultative Abstimmungen sind elektronisch möglich.

Aber wird es in der Schweiz irgendwann elektronische Volksabstimmungen geben?

In der Schweiz können wir uns keine Fehler beim E-Voting leisten, das würde viel Vertrauen zerstören. Man will nun aber auch in Bundesbern die digitale ID vorantreiben. Es kann sein, dass elektronische Abstimmungen in den nächsten Jahren kommen werden.

Die Stadt Zug akzeptiert seit Juli 2016 weltweit als erste Behörde die Digitalwährung Bitcoin. Medien auf der ganzen Welt berichteten darüber. Waren Sie vom grossen Interesse überrascht?

Als plötzlich die New York Times und verschiedene asiatische Zeitungen vor der Türe standen, haben wir uns schon etwas die Augen gerieben. So hatten wir das nicht erwartet. Auf der anderen Seite ist das Interesse an digitalen Währungen derzeit exponentiell am Wachsen, alle interessieren sich dafür.

Wie kam es überhaupt zu diesem Projekt?

Als es damals darum ging, Bitcoin bei der Einwohnerkontrolle anzunehmen, war es eine tief hängende Frucht. Von einem Studenten liessen wir uns im Stadtrat zeigen, was Bitcoin und die dahinterliegende Blockchain ist. Beim Mittagessen haben wir uns dann gesagt:  'Kommt, diese Währung akzeptieren wir'. Wenn es um solche Themen geht, kann man nicht sieben Jahre planen. Man muss es einfach tun.

Gemäss ihrem Zwischenfazit vom Dezember 2016 hatten damals 12 Kunden mit Bitcoin bezahlt.

Inzwischen sind es 45 Personen. Natürlich ist auch bei 45 Anwendungen der praktische Wert klein, das ist klar. Aber, und das ist spannend, wir haben inzwischen auch einen Weinhändler, einen Zahnarzt und einen Immobilienhändler, die Bitcoin akzeptieren. Es kommen immer mehr Bitcoin-Anwender dazu.

Wann werden die Zuger die Steuerrechnung in Bitcoin bezahlen können?

Das Risiko gehen wir noch nicht ein. Uns ist natürlich klar, dass wir nicht etwas einführen können, wo wir durch Währungsverluste Steuergelder vernichten würden. Sobald aber die Bitcoin-Geschäfte gegenüber Kursverlusten abgesichert werden können, wäre dies denkbar. Gerade im Zug wäre ein Markt dafür vorhanden.

Benutzen Sie persönlich Bitcoin?

Nein, das habe ich an unseren Stadtschreiber delegiert (lacht). Vor zwei Jahren hat die Stadt Zug ein kleines Wallet für Demonstrationszwecke erstellt.

Hand aufs Herz: Sind ihre Blockchain-Initiativen schlussendlich nur eine reine Marketingaktion?

Die Aktionen haben zum einen eine symbolische Seite, das ist klar. Wir wollen zeigen, dass die Stadt Zug offen ist für neue Entwicklungen. Andererseits hat sich das Ganze auch einfach zufällig ergeben, da viele Leute aus dem Blockchain-Bereich 2014 nach Zug gekommen sind.

Wieso kamen diese Firmen ausgerechnet nach Zug?

Blockchain ist ein dezentrales Medium. Die Leute der Branche sind in die Schweiz gekommen, weil unser Land dezentral und basisdemokratisch ist. Zug ist ein bisschen die Schweiz im Kleinformat. Als die Firmen in Zug waren, haben sie zunächst für sich gearbeitet. Irgendwann ist der Kontakt zu uns entstanden.

Die Krypto-Firmen sind von sich aus auf Sie zugekommen. Böse Zungen könnten behaupten, die Firmen benutzen die Stadt Zug nur, um ihr schmuddeliges Image loszuwerden.

Diese Firmen sind überhaupt nicht schmuddelig. Schwarze Schafe gibt es natürlich immer, das lässt sich nicht leugnen. Solche sind mir in der direkten Zusammenarbeit jedoch noch nie begegnet. Sie haben aber insofern Recht, dass es Anbieter von Bitcoin oder Ethereum gibt, die durch die Zusammenarbeit mit uns einen Vertrauensbonus bekommen.

In einer Online-Umfrage von cash.ch mit über 5000 Teilnehmenden bezeichneten 70 Prozent Bitcoin als 'Schall und Rauch'. Wie erklären Sie sich diese negative Haltung?

Die Skepsis ist nicht gegen Bitcoin, sondern allgemein gegen die digitale Revolution gerichtet. Man ist davon unglaublich fasziniert, hat aber auch Angst. Die Leute müssen sich entscheiden: Öffne ich mich gegenüber der Neuerung oder verschliesse ich mich. Viele machen derzeit noch zu, weil die Digitalisierung nicht wirklich greifbar und etwas Unbekanntes ist. Die Leute sehen das Negative: Big Data, Hacker und Arbeitslosigkeit.

Ein Sorge bei solchen digitalen Themen ist immer die Datensicherheit. Haben Sie diesbezüglich Bedenken?

Gerade bei Blockchain sind diese Bedenken am geringsten. Sämtliche Transaktionen werden aneinandergehängt und können rückverfolgt werden. Man kann schauen, ob früher ein 'Drecksgeschäft' passiert ist. Auch Hacken ist nicht möglich.

Aber es braucht trotzdem eine gewisse Regulierung?

Ich bin überzeugt, dass eine angemessene Regulierung der Blockchain-Anbieter ein wichtiger Standortvorteil für den ersten Staat weltweit wäre, der dies tatsächlich auch umsetzt. Da könnte die Schweiz vorangehen.

Welche Ziele haben Sie sich für ihre Blockchain-Projekte gesetzt?

Wir haben keinen Businessplan. Es geht einzig darum, offen zu sein, Chancen zu sehen und einfach mitzumachen. Das ist die neue Art, wie man in Projekte hinein geht. Vielleicht wird es ja Bitcoin in zwei Jahren tatsächlich nicht mehr geben. So what?