Dass Raiffeisen, die Credit Suisse und UBS sowie Migros und Coop gemeinsame Sache machen, kommt selten vor. Doch diese Konstellation bietet sich den Grossunternehmen derzeit mit dem Startup-Förderprogramm Kickstart Accelerator. Ausgewählt aus 850 Bewerbern erhalten 30 Jungunternehmen aus aller Welt die Möglichkeit, während elf Wochen ihr Geschäftsmodell in Zürich weiterzuentwickeln und sich zu vernetzen.

Die erwähnten Big Player und andere Partnerorganisationen schiessen für das Projekt gemeinsam 3,8 Millionen Franken ein, wie der Medienverantwortliche Daniel Frei auf Anfrage sagt. Im Gegenzug können die etablierten Unternehmen den Einsatz neuer Dienstleistungen oder alternativer Abläufe testen. Die Startups ihrerseits können auf die Unterstützung von Experten und Mentoren zählen.

"Es ist erklärtes Ziel des Kickstart Accelerator, dass die involvierten Grossunternehmen über die Anschub-Initiative hinaus mit den Startups im Austausch bleiben", sagt Frei. Die Startups sollen zwar mit den Grossunternehmen bei gemeinsamen Pilotprojekten kooperieren. Anders als bei vergleichbaren Initiativen wird in Zürich aber keine finanzielle Beteiligung verlangt.

"Es geht uns auch nicht in erster Linie um eine grosse Show für die Startups, aber wir nehmen die Interessen der Grossunternehmen ernst", so Frei. Es gehe schlussendlich auch darum, branchenübergreifend die digitale Transformation in der Schweiz voranzutreiben; Migros, UBS und Co. inklusive. "Wir verstehen die Startup-Initiative als gegenseitiges Sparring."

Konkurrenten sitzen sich gegenüber: Blick auf die Arbeitsplätze des Kickstart Accelerator (Quelle: cash.ch)

Angeboten wird die Startup-Förderung in den vier Bereichen Ernährung, intelligente Maschinen, Finanztechnologie (Fintech), und Zukunftstechnologie – allesamt Fachgebiete, in denen die Schweiz einen kompetitiven Standortvorteil zu bieten hat. Am Ende des Programms wird das Startup mit dem meisten Marktpotenzial gekürt.

Mit dem Kickstart Accelerator, einer Initiative der Standortförderung DigitalZurich2025, erhalten nicht nur junge Unternehmensgründer eine Plattform und Grossfirmen frische Ideen. Es geht auch darum, Zürich und die Schweiz auf die globale Startup-Landkarte zu bringen – und im Idealfall Arbeitsplätze zu schaffen. Das grosse Interesse an solchen Schweizer Förderprogrammen zeigt die anhaltende Attraktivität des hiesigen Standorts. Offenbar ungeachtet der Unsicherheiten über die Kontingentierung der Zuwanderung.

Im Folgenden drei Startups, die in den kommenden Wochen um den Gesamtsieg kämpfen:

Veezoo

Mit Daten sprechen. Das will das Zürcher Startup Veezoo ermöglichen. Es wird zusehends schwieriger, die immer grösser werdenden Datenberge zu analysieren und anschaulich darzustellen. Die drei ehemaligen ETH-Studenten von Veezoo haben dazu ein Instrument entwickelt, das in einem ersten Schritt verschiedene Datensätze vereint. Über eine Chat-Funktion kann dann eine sprachgesteuerte Abfrage gemacht werden. Zum besseren Verständnis werden die Suchresultate auch noch grafisch dargestellt.

Die Software ist bisher auf Englisch und in Kürze auf Deutsch erhältlich. "Wir möchten sie vor allem bei Firmen installieren, die über grosse Datensätze verfügen", sagt Co-Gründer Joao Pedro Monteiro zu cash. Dass das Interesse an ihrer Lösung vorhanden ist, erlebte Veezoo zuletzt an der Cebit, der weltgrössten Messe für Informationstechnik.

Tickey

Die Bulgaren haben sich auf die Fahne geschrieben, den öffentlichen Verkehr angenehmer und attraktiver zu machen. Tickey wollen das mit einer Smartphone-App erreichen, die über eine Vielzahl von Funktionen verfügt: Tickets kaufen, Routen planen, Fahrpläne abfragen oder Verbindungen bewerten. "Wir wollen erreichen, dass man schlussendlich mit einem App alle öffentlichen Verkehrsmittel benutzen kann", sagt CEO Dimiter Dimitrov. Dafür muss Tickey mit den lokalen Verkehrsbetrieben Vereinbarungen treffen. Bisher läuft ihr Dienst in Grossbritannien, Sofia und mehreren baltischen Hauptstädten.

In der Schweiz befindet sich Tickey noch in der Anfangsphase. Doch Dimitrov möchte "die SBB herausfordern", wie er sagt. Die Ticketmaschinen in der Schweiz seien nicht immer sehr benutzerfreundlich. Langfristiges Ziel von Tickey ist auch, dass mehr Leute vom Auto auf Tram, Bus oder U-Bahn umsteigen. Das amerikanische Magazin Forbes nannte Tickey auch schon "Uber des öffentlichen Verkehrs". Sehen Sie im Video, wie Tickey funktioniert.

 

 

Zoa

Das Ziel von Zoa ist nichts weniger als die Rückeroberung der digitalen Privatsphäre. Die User von elektronischen Dienstleistungen sollen die Kontrolle über ihre eigenen Daten wiedererlangen. Gleichzeitig sollen aber auch Grosskonzerne den Umgang mit Nutzerdaten zeitgemäss angehen. Denn ab 2018 gilt in der Europäischen Union eine neue Datenschutzbestimmung (GDPR). "Das wird für viele Firmen eine Herausforderung", sagt Zoa-Gründer Bernhard Obenhuber zu cash. Zoa kann den Unternehmen dabei helfen, ihre Nutzerdaten überhaupt zu lokalisieren.

In der Schweiz handhaben die grossen Unternehmen die Daten ihrer Kunden sehr unterschiedlich. Während bei der Migros die mit der Cumulus-Karte getätigten Einkäufe jederzeit einsehbar sind, sei der Austausch mit Coop sehr viel komplizierter, so Obenhuber. Vorreiter seien in diesem Bereich die Tech-Konzerne Google oder Facebook, wo User ihre digitalen Spuren relativ einfach nachverfolgen könnten.