Die Kolumne "Gopfried Stutz" erschien zuerst im 

Das Geniale an der AHV liegt darin, dass die vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer entrichteten Beiträge nicht auf einem nach oben limitierten Lohn berechnet werden, sondern auf dem gesamten Gehalt. Eine Person mit einem Millioneneinkommen zahlt somit ein Mehrfaches in die AHV als wir Normalsterblichen – und erhält im Alter trotzdem nur eine unwesentlich höhere AHV-Rente, wenn überhaupt. Die Linken nennen dies Solidarität. Die Rechten sprechen lieber von Umverteilung.

In der zweiten Säule ist das anders: Hier beträgt die obere Limite des versicherten Jahreslohns 85'320 Franken. Auf Lohnbestandteilen, die über dieser Limite liegen, sind gesetzlich keine Beiträge für die zweite Säule geschuldet. Ich sage «gesetzlich», denn Vorsorgeeinrichtungen haben die Möglichkeit, die Limite nach oben zu verschieben. Das wären dann die wieder und wieder genannten, nicht immer aber verstandenen überobligatorischen Beiträge.

In der zweiten Säule wird Solidarität somit weniger grossgeschrieben als in der AHV: Sie funktioniert nach dem Kapitaldeckungsverfahren. Jeder spart für sich selber. Was aber in keiner Weise bedeuten soll, dass nicht auch die zweite Säule auf Solidaritäten beruht. Dies gilt insbesondere heute, wo die Jungen wegen der zu hohen Umwandlungssätze die Renten der Alten mitfinanzieren müssen. Diese Solidarität ist nicht gewollt.

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Gewollt sind aber andere Solidaritäten zwischen Jung und Alt, zwischen Verheirateten und Unverheirateten, zwischen Eltern mit und Eltern ohne Kinder. Alle zahlen gleich hohe Risikobeiträge, obschon bei Jungen das Risiko einer krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit geringer ist als bei Alten. Und bei kinderlosen Singles muss eine Vorsorgeeinrichtung keine Witwen- oder Kinderrenten ausrichten. Und doch zahlen alle gleich hohe Risikoprämien.


Nun gibt es leider in der zweiten Säule Tendenzen, die solche Solidaritäten aushöhlen. Ich denke an die in Mode kommenden 1e-Pläne. Die Credit Suisse hat kürzlich mitgeteilt, dass sie für ihre Angestellten solche 1e-Pläne einführen will. Sie haben den unangenehmen Nachgeschmack, dass nur Angestellte ab einem AHV-Lohn von 127'980 Franken davon profitieren. Wer hat, dem wird gegeben. So will es das Gesetz.

Bei diesen 1e-Plänen können die Versicherten ihre Anlagestrategie selber wählen. Bei zu riskanten Anlagen müssen sie allfällige Verluste selber tragen. Umgekehrt profitieren sie voll von den Gewinnen. Und so gibt es bei diesen Beiträgen, die oberhalb der Lohnschwelle von 127'980 Franken erhoben werden und in deren separaten Fonds fliessen, keine Solidarität.

Ist das nun gut oder schlecht? Ganz einfach: Für die Gutverdienenden ist es gut; für die mässig Verdienenden ist es weniger gut.