Der Fehlerbereich liegt bei plus/minus zwei Prozentpunkten. Die Ablehnung der Vorlage überrascht nicht, die Klarheit des Verdikts aber schon: Die Umfragen von SRG und Tamedia rechneten in den Wochen vor der Abstimmung mit einem Nein zwischen 54 und 56 Prozent.

Endresultate liegen aktuell aus den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Glarus und Graubünden vor. Überall liegt der Nein-Anteil zwischen 62 und 70 Prozent. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) sind aktuell 1432 von 2167 Gemeinden ausgezählt. Hier ergibt sich ein durchschnittlicher Nein-Anteil von 62,7 Prozent.

Nur rund vierzig Gemeinden nahmen das E-ID-Gesetz gemäss den Zwischenergebnissen an. Am deutlichsten ist die Ablehnung in einzelnen Gemeinden im Wallis, der Waadt, in Freiburg und im Kanton Graubünden.

Breit abgestütztes Referendumskomitee

Nun muss der Bundesrat zurück auf Feld eins. Grundsätzlich hatte im Abstimmungskampf zwar kaum jemand etwas daran auszusetzen, die Digitalisierung voranzutreiben. Umstritten war aber die Rollenteilung von Staat und Privaten im Bundesgesetz über die elektronischen Identifizierungsdienste (E-ID).

Mit dem Gesetz wollte der Bundesrat die sichere Identifikation von Personen im Internet ermöglichen. Nationale und kantonale Behörden argumentierten, dass so im Internet einfacher Verträge abgeschlossen oder Behördengänge erledigt werden könnten. National- und Ständerat verabschiedeten das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste im Herbst 2019 mit deutlichen Mehrheiten.

Das Referendum gegen die Vorlage wurde von der Digitalen Gesellschaft lanciert und von SP, Grünen, Piratenpartei, VPOD, Internet Society Switzerland, Verein Public Beta, Grundrechte.ch sowie Seniorenorganisationen unterstützt. Auch der Gewerkschaftsbund (SGB), Travail Suisse, die GLP, die EDU und die Junge EVP fassten die Nein-Parole.

Staatliche Lösung gefordert

Die Gegnerschaft kritisierte vor allem die Rolle der privaten Unternehmen, welche die E-ID ausstellen sollen. Denn gemäss Gesetz wären die Bundesbehörden lediglich für die Identifizierung einer Person zuständig gewesen.

Es dürfe nicht sein, dass Daten in die Hände privater Firmen gelangten, die kommerzielle Interessen hätten, argumentierte das Referendumskomitee. Eine E-ID sei nur dann vertrauenswürdig, wenn sie staatlich sei. Der Bund müsse also selber eine E-ID anbieten und den Datenschutz gewährleisten.

Daten werden gelöscht

Die Befürworter des E-ID-Gesetzes verwiesen dagegen auf die strengen Datenschutzvorschriften. Das Parlament habe den Datenschutz noch verstärkt. Auch der Eidgenössische Öffentlichkeits- und Datenschutzbeauftragte (Edöb) setzte sich für die Vorlage ein - auch weil seine Rolle mit dem neuen Gesetz gestärkt worden wäre.

Künftig sollte eine staatliche Kommission für die Anerkennung der Aussteller von E-ID zuständig sein und diese auch beaufsichtigen. Konkret hätten die Anbieter einer E-ID die Daten zur Person und Transaktion nicht zusammenführen oder für andere Zwecke verwenden dürfen. Zudem hätten die Transaktionsdaten nach sechs Monaten gelöscht werden müssen.

Eine gewisse Marktfreiheit für Anbieter sei gut und fördere den Innovationsgeist, hielten die Befürworter fest. Als Herausgeberin in den Startblöcken stand bereits die Swiss Sign Group, die die Swiss ID betreibt. Zum Konsortium gehören Post, SBB, Swisscom, Börsenbetreiber Six, Grossbanken und Versicherungen.

Digitalisierung vorantreiben

An die Stelle der Passbüros würden Unternehmen wie Banken und Versicherungen treten und die sensiblen Daten der Bürgerinnen und Bürger verwalten, warnten die Kritiker der Vorlage. Sie erachteten das Missbrauchspotenzial und die Risiken als zu gross, etwa bei einem Datendiebstahl.

Eine elektronische Identität sei unumgänglich, wolle die Schweiz nicht ins Hintertreffen geraten, hielten die Befürworter dagegen. "Das Schweizer E-ID-Gesetz ist eine Chance, die wir nicht verpassen sollten", appellierten verschiedene Kantone, Gemeinden und Städte. Sie verwiesen im Abstimmungskampf auch auf die Freiwilligkeit einer E-ID. Der Gang an den Schalter werde bei einem Ja nicht verunmöglicht.

(AWP)