An dieser Stelle habe ich schon mehrmals meine Bedenken zur Entwicklung der Online-Kommunikation im Bereich der Social Media eingebracht. Manche Leserinnen und Leser werden dieser Philippika oder Kapuzinerpredigten wohl langsam überdrüssig sein und mich einen hinterwäldlerischen Verweigerer moderner Informations- und Marketingmethoden schimpfen.

Zuallererst ging es mir vor allem darum, auf die mangelnde Pflege der Sprache aufmerksam zu machen. "Wenn die Sprache verludert, verkommt der Geist", behauptete ich. Noch nerviger: "Wer nicht richtig schreiben kann, kann auch nicht sauber denken. Und umgekehrt." Und noch schlimmer: "Social Media, absurderweise soziale Medien oder gar soziale Netzwerke genannt, führt zur Verblödung der Menschheit."

Inzwischen hat parallel zum hysterischen Digitalismus das wie ein Flächenbrand grassierende Algorithmen-Unwesen überforderte Manager zusätzlich zum Jubeln gebracht: Es braucht nun keine Strategie, kein Konzept mehr, man kann sich das Denken und Überlegen sparen. Denn jetzt ist nur noch daran herumzuschräubeln, wie die Sinuskurve im Big Data–Nebel den Rank findet, und schon wird das alleinseligmachende, ultimative Marketing-Tool ausgespuckt.

Gleichzeit haben hinterhältige Politiker, Geheimdienste und andere Manipulatoren die neuen Plattformen und deren Tricks für kriminelle Zwecke instrumentalisiert. Da werden zielgruppendifferenzierte Lügen, Unwahrheiten, narrativer Bullshit getwittert, gefacebooked und Uncut Fake News, oder wie dieser Horror auch immer heissen mag, breitflächig gedreckschleudert.

Seit kurzem wird der Missbrauch moderner Kommunikations-Systeme jedoch immer öfter kritisch analysiert. Letzte Woche erschienen etwa in der NZZ zwei beispielhafte Artikel dazu.

Am 19. Oktober von Claudia Mäder eine Buchbesprechung mit dem Titel "Facebook gefährdet die Demokratie". Zitat: "Das Internet hat sämtliche Bereiche demokratisiert. Ausser ironischerweise die Demokratie selbst." Im Buch "Smartphone-Demokratie", erschienen im NZZ Libro-Verlag, stellt Adrienne Fichter fest, die hyperindividualisierte Wahlwerbung auf Facebook adressiere häufig ganz persönliche Wünsche, das Gemeinwohl gerate dadurch zusehends aus dem Blick.

Und am 31. Oktober von Marie-Astrid Langer eine ganzseitige Auslegeordnung der aktuellen Phänomene des "Silicon-Valley-Startups" mit dem Titel "Facebook ausser Kontrolle". Mit zwei erfrischenden Zwischentiteln: "Blinder Glaube an Algorithmen" und "Digitaler Kolonialismus". Sie entlarvt Facebook so: Es hülle sich in das Mäntelchen des altruistischen Netzwerks, das die Welt näher zusammenbringe, aber dieser soziale Anschein täusche.

Meine Konklusion: Die Technologie gerät ausser Kontrolle, weil die User es sind.