Wie es der Wirtschaft geht, lässt sich anhand verschiedenster Indikatoren ablesen, beispielsweise dem Bruttoinlandprodukt. Doch die meisten dieser Indikatoren stehen erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zur Verfügung. Anders verhält es sich beim Stromkonsum.

Er kann die wirtschaftliche Situation quasi in Echtzeit darstellen, wie Doina Radulescu, Dozentin und assoziierte Professorin am Kompetenzzentrum für Public Management (KPM) der Universität Bern, ausführte.

Um den Rückgang des stündlichen Elektrizitätskonsums unverfälscht zu analysieren, verwendeten die Berner Forscher laut Mitteilung vom Freitag Daten zur stündlich verbrauchten Energie. Diese Zahlen wurden ihnen von der Netzbetreiberin Swissgrid zur Verfügung gestellt.

Diese Rohdaten galt es zunächst zu bereinigen, indem etwa Aussentemperaturen oder zeitliche Einflussfaktoren wie Wochen- und Feiertage berücksichtigt werden mussten.

Weniger Strom verbraucht

So berechneten die Forschenden, dass die schweizweite Stromnutzung von Beginn des Lockdowns bis hin zu den ersten Lockerungen vom 26. April um 4,6 Prozent abnahm.

Betrachtet man nur die Werktage, beträgt der Rückgang der Stromlast gemäss den Berner Forschenden sogar 7,4 Prozent. "Nimmt man kurzfristig eine direkte Beziehung zwischen Elektrizitätsverbrauch und Produktion an, bedeutet ein Rückgang des Elektrizitätskonsums von 4,6 Prozent umgerechnet einen Produktionsrückgang im Industrie-, Transport-, Dienstleistungs- und Landwirtschaftssektor von etwa 7 Prozent", wird Radulescu in der Mitteilung zitiert.

Diese Aussage trafen die Autoren der Studie unter den Annahmen, dass zwei Drittel des Elektrizitätskonsums in der Schweiz den Unternehmen zugeschrieben werden können. Werden nur die Werktage betrachtet, bedeute der Rückgang der stündlichen Stromlast von 7,4 Prozent, dass die Produktion um rund 11 Prozent abnahm.

Mit der schrittweisen Lockerung der Massnahmen erreichte auch der Elektrizitätskonsum langsam wieder sein Ausgangsniveau.

Ungleich verteilt

Die schweizweiten Massnahmen hatten regional stark unterschiedliche Auswirkungen auf die stündliche Stromlast: Während im Norden und Osten der Schweiz die Reduktion am geringsten ausgeprägt war, verzeichneten vor allem die Kantone im Westen und Süden einen starken Rückgang des Elektrizitätskonsums.

Die Autoren erklären die Unterschiede vor allem damit, dass die Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie unterschiedlich streng umgesetzt wurden und dadurch, dass einzelne Kantone weitergehende Massnahmen ergriffen.

Doch auch die wirtschaftliche Struktur eines Kantons beeinflusst laut Radulescu, wie stark ausgeprägt der Rückgang beim Stromkonsum ausfiel. Namentlich Kantone mit einem starken Dienstleistungssektor konsumierten weniger Strom. Die Reduktion in industrielastigen Kantonen fiel hingegen geringer aus.

(AWP)