Am Montagnachmittag ergriff die Schweiz nicht nur umfassende Sanktionen gegen Russland, der Bundesrat belegte auch fünf schwerreiche Personen mit Einschränkungen, inklusive einem Einreiseverbot. Wer diese fünf Personen sind, gab Bundesrätin und Justizministerin Karin Keller-Sutter vor den Medien in Bern nicht bekannt. Möglich ist, dass diese Namen in den nächsten Tagen durchsickern. 

Ob mit neuen Sanktionen belegt oder nicht - ein Name ist in Wirtschafts- und Börsenkreisen im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bereits präsent: Viktor Vekselberg, der über Beteiligungskonstrukte bedeutende Anteile an den kotierten Schweizer Unternehmen Sulzer (48,8 Prozent laut Daten von Bloomberg), Medmix (40,5 Prozent), Oerlikon (41,4 Prozent), Swiss Steel (16,6 Prozent) und Züblin (41,7 Prozent) hält. 

Die Börsenunsicherheit der vergangenen Tage und im Hintergrund auch das direkte Engagement eines russischen Kapitalgebers haben diese Aktien in den vergangenen Tagen unter Druck gebracht. Der Börsenwert von Sulzer ist innerhalb von fünf Handelstagen um 10 Prozent zurückgegangen. Die Medmix-Aktie hat in der gleichen Zeit 18 Prozent verloren.

Sulzer 2018 mit Sanktionen belegt

Die Sanktionen des Westens sollen russische Wirtschaftsinteressen hart treffen. Wie weit diese noch reichen wurden, ist derzeit nicht einfach zu sagen. "Es ist noch alles im Fluss", sagt ein Finanzexperte zu cash.ch. Namentlich in London sind auch Forderungen laut geworden, russische Vermögenswerte im äussersten Fall zu enteignen. Ein konkretes Risiko für Firmen mit Beteiligungen durch russische Interessen ist zunächst aber, dass sie selbst mit Sanktionen belegt werden. Der Maschinenbaukonzern Sulzer hat dies wegen Grossaktionär Vekselberg bereits einmal erlebt. 

Vekselberg steht seit der Krim-Annexion durch Russland 2014 unter Sanktionen der USA. Der Russe war 2007 bei beim Winterthurer Konzern eingestiegen und hielt ab 2015 die Mehrheit am Unternehmen. Er besass zu diesem Zeitpunkt 63 Prozent. Wegen Mehrheitseigner Vekselberg verhängten die USA damals auch Sanktionen gegen das Unternehmen Sulzer. Der Handel mit der Sulzer-Aktie war von den USA aus zeitweise unterbrochen. Eine Folge von Sanktionen für ein Unternehmen ist in einem solchen Fall aber auch, dass Geschäftspartner untersagt wird, mit ihm Kontakte zu pflegen. 

Gelöst hat Sulzer das damalige Problem, indem der Konzern seinem Grossaktionär 15 Prozent der Aktien abkaufte und so dessen Anteil auf 48 Prozent sank. Sulzer musste allerdings darauf achten, dass durch den Kauf unmittelbar kein Geld an Vekselberg respektive dessen Beteiligungsgesellschaft Renova floss. Renova erhielt lediglich eine "Gutschrift". Auch heute zahlt Sulzer Vekselberg keine Dividende direkt aus, sondern parkiert die Ausschüttungen auf einem Sperrkonto. 

Ausschliessen kann man wenig

Die USA akzeptieren diese Regelung. Sulzer und auch die übrigen Beteiligungen Vekselbergs in der Schweiz gelten nicht als russische Unternehmen. Allerdings: Die Einigung, wie sie Sulzer 2018 erreichte, brauchte das Einverständnis von Vekselberg. Sollte er wieder ins Visier der USA oder eines anderen Landes geraten, müsste er einem etwaigen Abbau seiner Beteiligungen wohl auch diesmal zustimmen. 

Je nach Verlauf und Dauer des Ukraine-Kriegs könnten die Massnahmen noch einmal verschärft werden. Sulzer geriet 2018 unter Druck, weil Vekselberg über 50 Prozent der Aktien hielt. "Das Risiko, das ich sehe, ist, dass zum Beispiel die neue relevante Schwelle bei einer 33,3-Prozent-Beteiligung liegen könnte", sagt Analyst Arben Hasanaj von der Bank Vontobel. "Dazu gibt es noch keine Anhaltszeichen, aber es ist aus meiner Sicht denkbar." Der Markt sehe solche Risiken offenbar auch.

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Zu bedenken ist: Die Sanktionen als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine richten sich zunächst gegen den Kriegsherren Wladimir Putin, seinen inneren Machtzirkel und russisches Geld weltweit. Verhindert werden soll, dass zentrale Funktionsträger des Regimes in Moskau an ihre Gelder herankommen. Dieses Ziel richtet sich aus heutiger Sicht nicht gegen Firmen wie Sulzer, Oerlikon, Medmix oder Swiss Steel.

Zu bedenken ist aber auch: Der heutige Angriffskrieg der russischen Machthaber gegen die Ukraine hat ein um ein Vielfaches entschiedenere Reaktion der übrigen Welt hervorgerufen als die Krim-Besetzung 2014. Man sieht dies daran, dass der russische Bruch internationalen Rechts letztlich dazu geführt hat, dass die Schweiz ihren Neutralitätsbegriff de facto neu definiert hat. 

Fondsmanager meidet Sulzer und Oerlikon

Für Fondsmanager Marc Possa hat die Vekselberg-Beteiligung an Firmen wie Sulzer oder Oerlikon auch ohne die Kriegs-Aktivitäten Russlands einen Malus mit sich gebracht: "Vekselberg ist als Grossaktionär beispielsweise instrumental bei der Besetzung von CEOs und Verwaltungsratspräsidenten." Doch bei einem Unternehmen wie etwa Oerlikon zeigten die vergleichsweise unglücklichen Besetzungen in der Chefetage die Nachteile dieser Situation: "Viele Vekselberg-Investments haben sich unglücklich entwickelt, und dies auch wegen Management-Fehlentscheidungen", wie Possa gegenüber cash.ch ausführt.

Die Nachteile eines Kernaktionärs wie Vekselberg hätten für die betroffenen Firmen immer überwogen, und jetzt seien diese noch grösser geworden. Possa, der mit seiner Gesellschaft VV Vermögensverwaltung primär in industrielle Schweizer Mid und Small Caps anlegt, sieht darin einen Grund, nicht in Firmen wie Sulzer oder Oerlikon zu investieren. 

«Vekselberg-Malus»: Geschätzte 10 Prozent

Marktkreise schätzen, dass ein "Vekselberg-Malus" die Aktien seiner Beteiligungen an der Börse bislang mit einem Abschlag von 10 Prozent handeln lässt. Sollte Vekselberg seine Aktienpakete verkaufen (müssen), ist vorstellbar, dass dies, wie in solchen Fällen üblich, über ein beschleunigtes Book-Building-Verfahren über Nacht durchführen würde. Dies kommt in der Regel zur Anwendung, wenn sich Grossaktionäre ganz oder teilweise von ihren Investments trennen wollen. 

Beim Schokoladeproduzenten Barry Callebaut verkaufte die Jacobs Holding im April 2021 ihren Anteil auf genau diese Weise. Die Folge war ein Kurssturz der Aktie am nächsten Handelstag von rund 10 Prozent. Beim Glasverpackungsunternehmen Vetropack platzierte die Cornaz-Holding im vergangenen September nach zwei Millionen Aktien - mit ähnlichen unmittelbaren Folgen für den Kurs. Auch bei Softwareone kam ein beschleunigtes Bookbuilding-Verfahren beim Beteiligungsabbau von Investoren zur Anwendung. 

Bei den Vekselberg-Beteiligungen könnte sich ein Verkauf allerdings anders auswirken. Ohne Vekselberg-Malus ist gut möglich, dass der Kurs der betroffenen Unternehmen steigen würde. 

Redaktionelle Mitarbeit: Daniel Hügli.