"Die Entwicklung bei den Boni bereitet mir grosse Sorgen. Da haben einige Konzerne Fehler gemacht", sagte Dörig in einem Interview mit der NZZ vom Freitag.

"Für global tätige Investoren mag es kein Problem sein, wenn Manager 20 Millionen Franken und mehr erhalten. Aber die Schweizer Bevölkerung hat zu Recht Mühe, wenn ein Job mit mehr als 10 Millionen Franken entschädigt wird. Ich übrigens auch", sagte Dörig. Der gesellschaftliche Zusammenhalt werde mit solchen Übertreibungen aufs Spiel gesetzt.

"Sorgen bereitet mir auch die expansive Geldpolitik der Notenbanken. Es läuft etwas falsch, wenn Schuldenmachen belohnt und Sparen bestraft wird", sagte Dörig. Bei den Firmen führe diese Entwicklung dazu, dass notwendige strukturelle Anpassungen aufgeschoben würden.

"Das ist eine Zeitbombe: Wenn die Tiefzinsphase mit all ihren Nebenwirkungen anhält, gepaart mit geopolitischen Spannungen, der Angst um Arbeitsplätze, Digitalisierung, der demografischen Entwicklung und der Einwanderungsproblematik, kann das zu sozialen Unruhen führen", sagte Dörig. Der Staat löse die Probleme mit Schuldenmachen, noch mehr Regulierung sowie Zentralisierung und giesse damit seinerseits Öl ins Feuer. "Das ist sozialpolitischer Sprengstoff."

Kein Rücktritt bei Swiss Life

Nachdem Dörig seinen Abgang als Verwaltungsratspräsident von Adecco bereits im Februar 2019 angekündigt hat, will er bei der Swiss Life das Amt noch behalten. "Solange ich Freude an meiner Aufgabe habe und von den Aktionären wiedergewählt werde, bleibe ich gerne. Zudem stehen in den nächsten Jahren ganz wichtige Themen an, vor allem die Sicherung unserer Altersvorsorge", sagte Dörig.

Zudem kritisierte Dörig die EU-Politik: Die Bilateralen seien wichtig für die Schweiz. Die Schweiz brauche Fachkräfte in vielen Bereichen aus der ganzen Welt. Drittstaatenkontingente sollten aufgehoben werden.

"Es ist aber auch legitim, dass ein unabhängiges Land seine Rahmenbedingungen selbst bestimmt. Wir brauchen deshalb eine gelenkte Personenfreizügigkeit. Wollen wir doch alle wirtschaftliche Stabilität, eine lebenswerte Umwelt und eine sichere Gesellschaft. Deshalb müssen wir über die Frage diskutieren, ob die Schweiz wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreich bleiben kann, wenn wir einen gleich hohen Zuwachs an Einwohnern haben wie in den letzten 15 Jahren", sagte Dörig.

Dörig gegen Rahmenabkommen

Ein Nein zur Begrenzungsinitiative und ein Ja zu den Bilateralen dürften auf keinen Fall als Vorwand missbraucht werden, um danach sogleich den vorliegenden Entwurf für einen Rahmenvertrag zu unterschreiben. "Natürlich brauchen wir eine Lösung mit der EU. Aber es gibt keine Veranlassung, sich von der EU unter Druck setzen zu lassen. Aus meiner Sicht ist der vorliegende Entwurf nicht mehrheitsfähig", sagte Dörig.

Notwendig sei ein Wirtschaftsabkommen und kein Integrationsabkommen. Es bestehe noch in vielen Punkten ein erheblicher Klärungs- und Änderungsbedarf.

(AWP)