"Die Patienten werden es ab Sommer zu spüren bekommen", sagt Daniel Delfosse, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Regulierungen beim Schweizer Medizintechnikverband Swiss Medtech, zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Verband kritisiert die vom Bundesrat am 26. Mai in Kraft gesetzte Medizinprodukteverordnung (MepV) als viel zu regulatorisch.

Swiss Medtech hat dem zuständigen Bundesamt für Gesundheit (BAG) daher Vorschläge zur punktuellen Anpassung der Verordnung unterbreitet. Dieses bestätigte auf Anfrage die Kontaktaufnahme und will sich die Anliegen des Verbandes anhören.

Auslöser des Problems ist die Weigerung der EU, wegen des gescheiterten institutionellen Rahmenabkommens das MRA im Bereich Medizinprodukte zu aktualisieren.

Deswegen müssen neu alle Schweizer Medtech-Firmen einen Bevollmächtigten in der EU benennen. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, erliess auch der Bundesrat eine Bevollmächtigten-Pflicht für ausländische Unternehmen.

Übers Ziel hinaus geschossen

Der Bund führte zudem eine spezielle Schweiz-Regel ein, die verlangt, dass ausländische Produkte zusätzlich, nur für den Schweizer Markt angeschrieben werden müssen - mit dem Schweizer Bevollmächtigten und dem Importeur.

Das BAG begründete dies mit der Nicht-Aktualisierung des MRA. Dadurch sei die Schweiz sowohl vom Zugriff auf das Europäische System für Medizinprodukte wie auch aus der Europäischen Expertengruppen im Rahmen der Marktüberwachung ausgeschlossen worden. Dies verunmögliche die Aufrechterhaltung "einer effizienten und effektiven Marktüberwachung".

Nur mit einer zusätzlichen Beschriftung könnten Produkte wenn nötig "rasch aus dem Verkehr genommen werden, die Anwender direkt den in der Schweiz verantwortlichen Repräsentanten erkennen und die Meldepflichten erfüllen". Das gleiche fordere im Übrigen auch die EU, schreibt das BAG weiter.

Dafür hat Delfosse bis zu einem gewissen Grad Verständnis. "Doch leider bleibt vieles unklar, etwa, ob diese zusätzliche Beschriftung nur für die neuen oder auch für die bereits zugelassenen Produkte gilt, was bei den Unternehmen zu grosser Unsicherheit führt." Gälte es für alle, müssten jeden Tag rund eine Million Produkte für den Schweizer Markt neu angeschrieben werden, schätzt Swiss Medtech.

Noch läuft Übergangsphase

Laut einer Umfrage von Swiss Medtech würden in diesem Fall ein Viertel aller ausländischen Produkte nicht mehr in die Schweiz importiert werden - weil zu kompliziert und zu aufwändig. Doch noch läuft eine Übergangsphase. "Erst im Juli 2022 nach Frist-Ende werden wir das wahre Ausmass dieser neuen Schweiz-Regelung sehen."

Das BAG geht jedoch nicht davon aus, dass nach der Übergangsperiode die Patientensicherheit gefährdet ist. Der Bundesrat habe alle Aspekte einer geordneten Versorgung mit sicheren und leistungsfähigen Medizinprodukte berücksichtigt.

Mit entsprechenden Fristen habe man ausserdem "einer genügenden Versorgung der Schweiz mit Medizinprodukten Rechnung getragen", sowohl für EU-Hersteller, einen Schweizer Bevollmächtigten zu finden, wie auch für Schweizer Firmen, wenn nötig etwa Substitutionsprodukte zu finden, schreibt das BAG.

Swiss Medtech bestreitet dies jedoch vehement. Ausserdem weiss der Verband von ausländischen Unternehmen, die schon jetzt aufgrund der neuen Regeln nicht mehr in die Schweiz exportieren.

Dazu gehört auch ein Lieferant, der bis vor Kurzem noch Befülleinheiten für unter der Haut eingesetzten Pumpen, die regelmässig Medikamente abgeben, in die Schweiz geliefert hatte. "Für die rund 20 Personen, die diese Pumpe nutzten, ist damit eine erhebliche Einbusse ihrer Lebensqualität verbunden", sagt Delfosse.

Import-Hürden abbauen

Swiss Medtech fordert daher vom Bund, die Importhürden abzubauen. Natürlich habe der Bundesrat die MRA-Aktualisierung und damit den Schlüssel zur langfristigen Problemlösung nicht allein in der Hand, sondern auch die EU müsse bereit dazu sein, sagt Geschäftsleitungsmitglied Anita Holler.

"Umso wichtiger ist es aber, dass der Bundesrat die Regeln des Imports, die er mittels Verordnung unabhängig von der EU einseitig festlegen kann, zum Wohle der Schweiz trifft." Das sei heute nicht der Fall.

"Mit ein paar wenigen Änderungen der Medizinprodukteverordnung könnten viele der aktuellen Probleme der Branche auf einen Schlag gelöst und die Patientenversorgung sichergestellt werden. Die Schweiz hat das allein in der Hand", sagt Holler.

(AWP)