Peter Altmaier ist einer derer, die in den vergangenen Tagen den Wert einer gemeinsamen europäischen Haltung im Zollstreit mit den USA am vehementesten betont haben. Der deutsche Wirtschaftsminister ist es aber auch, der nun offen eingesteht, dass es daran fehlt.

Was komplizierter sei, mit den Franzosen eine gemeinsame Verhandlungslinie zu finden oder den Streit mit den Amerikanern beizulegen, wurde er in der ARD gefragt. "Beides ist gleichermassen schwierig", gestand er ein. Er selbst will, egal, ob Europa auf Dauer von den US-Importzöllen beim Aluminium und beim Stahl ausgenommen bleibt oder nicht, ein Zollsenkungsabkommen mit den USA verhandeln.

Gemeinsame Linie ist das in der EU aber nicht. "Ob das dann zu Verhandlungen kommt, ist eine andere Frage", gesteht Altmaier daher freimütig ein.

Handelskrieg verschoben

Der Start des drohenden Handelskriegs zwischen den langjährigen Verbündeten USA und der EU ist zumindest von US-Präsident Donald Trump gerade um einen Monat verschoben: vom 1. Mai auf den 1. Juni. Dabei ist nach landläufiger Definition dann von einem Handelskrieg zu sprechen, wenn sich Kontrahenten wechselseitig mit neuen Zöllen und anderen Strafinstrumenten überziehen.

So weit ist es noch nicht, selbst wenn in einem Monat die Zölle auf US-Stahl- und Aluminiumimporte auch für die EU-Stahlfirmen gelten sollten. Sollten die Europäer am Ende zurückschlagen, was noch nicht ausgemacht ist, stehen einer schnellen Reaktion Fristen und die Dauer von Verfahren entgegen.

«Folterinstrumente» der EU

Die Europäer mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatten schon früh ihre eigenen Folterinstrumente offengelegt. In drei Richtungen soll es gehen: eine Klage gegen die USA bei der von Trump verachteten Welthandelsorganisation (WTO), Gegenzölle auf US-Produkte oder wie es korrekt heisst Ausgleichsmassnahmen sowie Schutzmassnahmen gegen den Rest der Welt, sollten von dort zusätzliche Stahl- und Aluminiummengen in die EU-Märkte drängen und "bedeutende Schädigungen" für die EU-Industrie hervorrufen.

Gemeinsam ist all diesen Instrumenten: Sie können nicht von einem Tag auf den anderen in Kraft gesetzt werden. So spielen für die Ausgleichsmassnahmen gegen die USA zwei Fristen von zusammen 90 Tagen eines Rolle. "Scharf gestellt" werden könnten diese Gegenzölle danach frühestens im Juli. Bis eine WTO-Klage zu Entscheidungen führt, kann es in erster Instanz allein schon 15 Monate dauern, mit Berufungsverfahren schnell zwei, drei Jahre. "Das ist ein Vorgang, der sehr lange dauern könnte", gibt auch Altmaier zu. Und um die geplanten Schutzmassnahmen gegen eine Angebotsschwemme auf dem EU-Stahlmarkt WTO-konform zu gestalten, müssen zunächst Daten gesammelt werden.

Deutschland gegen Eskalation

Gegen eine weitere Eskalation stemmt sich vor allem Deutschland. Altmaier etwa unterstreicht, er sei noch völlig offen, ob und wann die Europäer Gegenzölle erheben. Das werde erst "im Licht der Entwicklung in den nächsten Tagen und Wochen" entschieden. Auch der Industrieverband BDI mahnt Besonnenheit an.

Dahinter steckt: ein Wettlauf von Zöllen und Zollerhöhungen schadet am Ende allen, ganz besonders aber der exportlastigen deutschen Wirtschaft, und gefährdet Tausende von Jobs. Frankreich allerdings und auch die EU-Kommission setzen mehr auf Härte. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire etwa betont: "Die EU muss bereit sein, die angemessenen Entscheidungen zu treffen, wenn die US-Regierung die Zölle für die EU erhöht."

Es sind, abseits der US-Entscheidungen im Stahl- und Aluminiumbereich, vor allem die Drohungen mit neuen Zöllen auf allen Seiten, die Schlimmes befürchten lassen. So stehen im Streit zwischen den USA und China Ankündigungen beider Seiten für neue Handelshürden im Raum, die einen Warenverkehr in dreistelliger Milliardenhöhe zum Gegenstand haben. Und gegen Deutschland hat Trump bereits die Drohung ausgestossen, auch die Vorzeigebranche Autoindustrie anzugreifen.

Harleys und Bourbon

Die Europäer wiederum haben angekündigt, auf die Stahl- und Aluminiumzölle gegebenenfalls mit Abgaben auf uramerikanische Produkte, vorzugsweise aus Regionen, in denen US-Präsident Trump seine politischen Unterstützer hat, zu reagieren. Es geht um Blue Jeans, Erdnussbutter, Motorräder von Harley Davidson, Bourbon-Whiskey und ähnliches - allerdings in relativ bescheidenem Umfang.

Worüber sich in Europa alle einig sind: Um die USA zum Einlenken zu zwingen, bedarf es auf EU-Seite vor allem Geschlossenheit. An der aber fehlt es. Das gilt gerade auch in Hinblick auf Verhandlungen mit dem Amerikanern. Während Altmaier dafür wirbt, mit der US-Regierung, egal was passiert, über ein umfassendes Zollsenkungsabkommen zu sprechen, stösst das in Frankreich auf wenig Gegenliebe. Und die EU will über solch ein Projekt nur dann verhandeln, wenn die USA zuvor die Stahl- und Aluminiumzöllen vom Tisch nehmen.

Altmaier mahnt daher: "Die EU muss sich darauf verständigen, worüber sie bereit ist zu sprechen." Denn sollte man wirklich ein Zollabkommen mit den USA anstreben, braucht die EU als Verhandlungspartner dafür ein Mandat all ihrer Mitgliedsländer. Und auf die Schnelle geht ohnehin kaum etwas: Verhandlungen über ein Zollabkommen dauern in der Regel eher Jahre als Monate. Die US-Ausnahme für die EU von den Stahl- und Aluminiumzölle läuft aber am 1. Juni aus.

(Reuters/cash)