Die Bilanz des Krieges fällt für Russland düster aus: Die Wirtschaft des Landes, die Anfang 2022 noch in Schwung gekommen war, ist im zweiten Quartal geschrumpft. Die am Freitag erwarteten Daten werden zeigen, dass das Bruttoinlandsprodukt zum ersten Mal seit über einem Jahr geschrumpft ist, und zwar um 4,7 Prozent im Jahresvergleich, so die mittlere Prognose von 12 von Bloomberg befragten Analysten.

Die Sanktionen, die aufgrund des Krieges verhängt wurden, haben den Aussenhandel scharf abgebremst, Branchen wie den Automobilbau lahmgelegt und die Kauflust der Verbraucher in den Keller gejagt. Der Rückgang ist bisher zwar weniger drastisch ausgefallen als befürchtet, doch geht die Zentralbank davon aus, dass er sich in den kommenden Quartalen verschlimmert. Erst in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres wird mit einer Erholung gerechnet.

"Die Krise bewegt sich entlang einer sehr gleichmässigen Kurve", sagt Jewgeni Suworow von der CentroCredit Bank. "Die Wirtschaft wird ihren Tiefpunkt bestenfalls Mitte 2023 erreichen."

Die russische Zentralbank hat mit Kapitalverkehrskontrollen und drastischen Zinserhöhungen versucht, die Turbulenzen auf den Märkten und den Absturz des Rubel einzudämmen. Inzwischen ist genug Ruhe eingekehrt, um viele dieser Massnahmen wieder zurückzunehmen. Am Freitag wird der stellvertretende Gouverneur Alexej Sabotkin ihre geldpolitische Strategie für die nächsten drei Jahre vorstellen.

Fiskalische Anreize und geldpolitische Lockerung in den letzten Monaten haben inzwischen zu greifen begonnen und die Auswirkungen der internationalen Sanktionen abgeschwächt. Die Ölförderung hat sich erholt, und die Ausgaben der privaten Haushalte zeigen Anzeichen einer Stabilisierung. 

Insgesamt sieht es nun nach einer sanfteren Landung der Wirtschaft aus. Analysten hatten für das zweite Quartal mit einem Rückgang von bis 10 Prozent gerechnet. 

"Der Einbruch im Jahr 2022 wird weniger tief ausfallen als im April erwartet", erklärte die Zentralbank zuletzt in einem Bericht zur Geldpolitik. "Gleichzeitig könnten sich die Auswirkungen von Angebotsschocks im Laufe der Zeit ausweiten."

(Bloomberg)