Russische Truppen konzentrierten sich nach ukrainischen Angaben am Samstag weiter darauf, die Hauptstadt Kiew und die zweitgrösste Stadt Charkiw einzukesseln. Im Zentrum Kiews waren Explosionen zu hören. Für Mariupol und die ebenfalls in der ostukrainischen Region Donezk liegende Stadt Wolnowacha wurden Feuerpausen vereinbart, um Zivilisten einen Rückzug zu ermöglichen. Das russische Verteidigungsministerium erklärte der Nachrichtenagentur RIA zufolge, die Routen seien offen. Den lokalen Behörden in Mariupol zufolge schwiegen die Waffen am Morgen indes nicht entlang der gesamten vereinbarten Evakuierungsroute - die Evakuierung solle deshalb verschoben werden.

In Mariupol sollten der ukrainischen Regierung zufolge rund 200'000 Zivilisten durch den humanitären Korridor aus der Stadt gelangen, der nach Angaben der lokalen Behörden für rund fünf Stunden geöffnet werden sollte. in Wolnowacha sollten es rund 15.000 Menschen sein. Das Rote Kreuz sollte die Einhaltung der Waffenruhe sichern. Hilfsorganisationen hatten vor einer humanitären Katastrophe gewarnt, weil Lebensmittel und Medikamente knapp würden und die Wasservorräte zur Neige gingen. In Mariupol gab es dem Bürgermeister Wadym Bojtschenko zufolge nach Tagen des Beschusses bereits kein Wasser mehr, Heizungen und die Stromversorgung funktionierten nicht. "Wir werden einfach zerstört", sagte er.

Das russische Verteidigungsministerium unterstrich, die Offensive in der Ukraine werde auch am zehnten Tag in Folge andauern. Die Angriffe auf die "militärische Infrastruktur" der Ukraine würden fortgesetzt, sagte ein Ministeriumssprecher. Die russischen Truppen versuchten ukrainischen Angaben zufolge, Kiew und Charkiw einzukesseln. Im Süden der Ukraine wollten sie eine Landbrücke zur annektierten Halbinsel Krim schaffen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wollte sich im Laufe des Samstags an den US-Senat wenden und um weitere Hilfe bitten. Die Konferenzschaltung war nach Angaben von Senatsmitarbeitern für 15.30 (MEZ) geplant. Selenskyj hatte sich für Flug-Verbotszonen über der Ukraine ausgesprochen, die die NATO durchsetzen solle. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte die Forderung aber am Freitag zurückgewiesen. Selenskyj zeigte sich enttäuscht: Der Kampf um Europas Freiheit habe offenbar nicht für jeden oberste Priorität.

Behörden in Russland blockieren Twitter und Facebook

In Russland geht die Regierung verschärft gegen Medien vor. Nachdem bereits unter anderem die Deutsche Welle und die BBC blockiert worden waren, beschränkten die Behörden einer Meldung der Nachrichtenagentur Tass vom Freitagabend zufolge den Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter. Interfax berichtete, dass Twitter blockiert worden sei.

Zuvor hatte die Medien- und Telekommunikationsaufsicht Roskomnadsor das soziale Netzwerk Facebook blockiert. Die USA kritisierten diesen Schritt. Die Entscheidung sei Teil umfassenderer Bemühungen der russischen Führung, den Bürgern eine ganze Reihe von Informationen vorzuenthalten, sagte US-Präsidialamtssprecherin Jen Psaki. Die USA seien darüber und über die Bedrohung der Redefreiheit tief besorgt.

Am Freitag hatte das russische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren für die vorsätzliche Verbreitung von Falschinformationen über die Streitkräfte vorsieht. Zudem können Bussgelder verhängt werden für öffentliche Aufrufe zu Sanktionen gegen Russland. Präsident Wladimir Putin hatte das Gesetz unterzeichnet, ein Sprecher des Präsidialamts sagte, das Regelwerk sei eine Reaktion auf den "beispiellosen Informationskrieg" gegen das Land.

In dem Krieg sind einer UN-Behörde zufolge bereits mehr als 1,2 Million Menschen geflohen, die meisten von ihnen in die direkten Nachbarländer wie Polen. Westliche Länder hatte in der Folge des Angriffs massive Sanktionen gegen Russland erlassen. Ein Sprecher des russischen Präsidialamts warf dem Westen am Samstag "wirtschaftliches Banditentum" vor, das Reaktionen Russlands erforderlich mache. Russland sei zudem einfach zu gross, um das Land durch die Sanktionen der USA und der Europäische Union (EU) vom Rest der Welt isolieren zu können.

Die russische Führung spricht nicht von einem Krieg, sondern von einem militärischen Sondereinsatz. Dieser ziele nicht auf Zivilisten, sondern auf "gefährliche Nationalisten".

(Reuters)