Auslöser der Debatte ist ein Schreiben von Finanzminister Steven Mnuchin an Notenbankchef Jerome Powell vom späten Donnerstagabend. In dem Brief fordert er, einige der von der Fed aufgelegten Corona-Notprogramme auslaufen zu lassen. Die freiwerdenden Mittel will Mnuchin anderweitig in der Corona-Krise verwenden. Mnuchin sagte, die Wirtschaft benötige zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine zusätzlichen Kredite mehr, sondern direkte Finanzhilfen oder Garantien.

Die Federal Reserve sieht das anders und tritt der Forderung Mnuchins entgegen. Sie spricht sich dafür aus, alle in der Corona-Krise aufgelegten Notprogramm vorerst weiterlaufen zu lassen. Bei diesen Programmen geht es etwa um Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen oder den Ankauf kommunaler Wertpapiere, um Städte und Gemeinden in der Krise zu unterstützen. Der regionale Fed-Chef von Chicago, Charles Evans, bezeichnete die Entscheidung Mnuchins im US-Fernsehen als enttäuschend. Die Fed-Notprogramme seien ein wichtiges Auffangnetz in der Krise.

Mnuchin konterte die Ausführungen von Evans. Ebenfalls im Fernsehen sagte er, Evans solle das Gesetz lesen oder mit dem Fed-Vorsitzenden Powell sprechen. Es sei von Anfang an festgelegt worden, dass die öffentlichen Finanzmittel der Fed Ende des Jahres nicht mehr zur Verfügung stünden. Kritik an der Entscheidung gehe am Thema vorbei. Auch ohne die auslaufenden Programme verfüge die Fed über hinreichende Feuerkraft, um die ökonomischen Auswirkungen der Corona-Krise zu dämpfen.

Mnuchin spielte auch darauf an, dass ein hoher Anteil der zur Verfügung stehenden Finanzmittel nicht abgerufen wurde. Diese Kritik ist nicht neu: Schon seit längerem muss sich die Fed dafür rechtfertigen, dass die Hilfsprogramme teilweise kaum in Anspruch genommen werden. Die Fed wertet jedoch gerade dies als Erfolg ihrer Rettungspolitik, da die Programme aus ihrer Sicht zur Beruhigung der Lage beigetragen haben.

Das Finanzministerium hatte die Hilfsprogramme der Fed mit erheblichen finanziellen Mitteln unterlegt. Dies geschah nicht zuletzt aus dem Grund, weil es der Fed zumindest in einigen Bereichen ansonsten untersagt gewesen wäre, tätig zu werden. Finanzminister Mnuchin könnte das freiwerdende Geld - laut Mnuchin soll es um rund eine halbe Billion Dollar gehen - gut gebrauchen. Seit Monaten stecken Verhandlungen über ein neues Konjunkturpaket im US-Parlament fest.

Öffentlich ausgetragene Debatten zwischen dem Finanzministerium und der Notenbank sind in den USA äusserst selten. Normalerweise arbeiten die beiden Institutionen gerade in Krisenzeiten eng miteinander zusammen, um Schaden von der Wirtschaft abzuwenden. In der Corona-Krise sind Ministerium und Fed besonders eng zusammengerückt, was auch einige Kritik auf sich gezogen hat. Denn eine zu enge Verbindung von Finanz- und Geldpolitik wird von Ökonomen etwa aufgrund denkbarer Inflationsgefahren nicht gerne gesehen./bgf/jsl/he

(AWP)