Zwar stehen in den USA am 8. November wie alle zwei Jahre alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses und im Senat etwa ein Drittel der 100 Sitze zur Wahl. In der Praxis gilt das Rennen jedoch in nur wenigen Wahlkreisen als offen. Das Magazin Politico listet für den Senat fünf Bundesstaaten auf, in denen der Ausgang nicht schon mehr oder weniger feststeht. Im Repräsentantenhaus sind es immerhin 26. Das sind nicht viele Mandate. Doch aktuell liegen Demokraten und Republikaner in beiden Parlamentskammern so eng beieinander, dass jeder Sitz zählt.

Bei den Rennen um die Abgeordnetenmandate im Repräsentantenhaus gibt es in diesem Zusammenhang eine besondere Möglichkeit, sich einen Vorteil zu verschaffen: das sogenannte Gerrymandering. Dieses erlaubt es in den meisten Bundesstaaten der Partei, die dort die Regierung stellt, die Wahlkreise zu ihren Gunsten zuzuschneiden. "So kann eine politische Partei ihre Wähler bestimmen, anstatt die Wähler ihre Vertreter", fasst die "New York Times" die Problematik in einer Analyse zusammen.

Der Mechanismus beruht darauf, dass die politische Zugehörigkeit der Bürger in den USA meist öffentlich bekannt ist. Das liegt daran, dass sich Wähler in allen Bundesstaaten ausser North Dakota in ein Wahlregister eintragen müssen. Ein Einwohnermeldeamt gibt es nicht. Bei der Registrierung wird oft festgehalten, welche Partei ein Wähler bevorzugt und wie er bislang gewählt hat. Diese erfassten Daten wiederum können bis auf wenige Ausnahmen öffentlich eingesehen werden, wobei es unterschiedliche Vorgaben in den einzelnen Bundesstaaten gibt. Entsprechende Informationen werden zum Beispiel auch von Unternehmen gesammelt und verkauft.

Durch diesen Vorgang ist letztendlich transparent, wie in welcher Nachbarschaft gewählt wird - welche Partei oder zumindest politische Strömung also in einem bestimmten Wahlkreis bevorzugt wird.

«Cracking» und «Packing» der Wahlkreise

Für den Verlauf der Wahlkreisgrenzen sind die jeweiligen Bundesstaaten verantwortlich, in den meisten Fällen genauer gesagt ihre Parlamente. Somit kann also die Partei, die in einem Bundesstaat die Mehrheit stellt, den Zuschnitt der Wahlkreise bestimmen. Sie kann also die die Grenzen so ziehen, dass sie einen strategisch entscheidenden Vorteil bei der nächsten Wahl hat. Das ermöglichen insbesondere zwei Verfahren: das sogenannte Cracking und das Packing.

Beim "cracking" wird eine Hochburg des politischen Gegners so in verschiedene Wahlkreise aufgespaltet, dass er seine Mehrheit und damit sein Mandat verliert. Beim "packing" wiederum werden die Wahlkreise neu angeordnet: Möglichst viele Anhänger der gegnerischen Partei werden dabei in möglichst wenige Wahlkreise "gestopft". Zwar gehen diese wenigen Wahlkreise dann sicher verloren. Dafür kann in anderen Wahlkreisen selbst eine knappe Mehrheit der eigenen Partei den Sieg bringen - denn ein Erfolg mit 51 Prozent der Stimmen bedeutet genauso einen Sitz wie einer mit 100 Prozent. Schliesslich verfallen die Stimmen für den Verlierer.

Aus Parteifreundinnen werden Rivalinnen

Die konkreten Folgen neuer Grenzen zeigen sich etwa in Georgia, wo die Republikaner an der Macht sind. Vor zwei Jahren hatten sich die beiden Demokratinnen Lucy McBath und Carolyn Bourdeaux in zwei benachbarten Wahlkreisen gegen republikanische Kandidaten durchgesetzt. Nun wurde jedoch McBaths Bezirk so umgeformt, dass dort die registrierten republikanischen Wähler eine klare Mehrheit haben. Daher tritt sie jetzt im Wahlkreis ihrer Parteifreundin Bourdeaux an - und plötzlich sind die beiden Rivalinnen. Die Republikaner erhalten dagegen fast sicher das Mandat in dem Wahlkreis, in dem zuvor McBath als Favoritin galt - und sie schalten auch noch eine von zwei potenziell erfolgreichen demokratischen Bewerberinnen aus.

Auch wenn Gerrymandering in den USA allgemein als undemokratisch und schlicht unfair verschrien ist: Hilfe vom Obersten Gericht ist nicht zu erwarten. Zwar hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass ein Zuschnitt aufgrund von Hautfarbe oder ethnischer Zugehörigkeit verfassungswidrig ist. Für die Klärung der Frage, ob durch das Ziehen von Wahlkreisen einzelne Parteien politisch bevorzugt werden, sind die Bundesgerichte nach Auffassung des Supreme Court jedoch nicht zuständig. Dies müssten die Bundesstaaten selbst in den Griff bekommen.

(Reuters)