Seine Demokraten sind auf Kurs, neben dem Repräsentantenhaus auch die Mehrheit im Senat zu erobern. Bei den entscheidenden Stichwahlen im Bundesstaat Georgia um zwei noch offene Sitze im Senat setzte sich in der Nacht zu Mittwoch in einer der beiden Abstimmungen der demokratische Bewerber Raphael Warnock durch. Der Ausgang des zweiten Rennens stand zunächst noch nicht fest, doch auch hier zeichnete sich ein hauchdünner Vorsprung des demokratischen Kandidaten Jon Ossoff ab je weiter die Auszählung der Stimmen vorankam. Sollte auch er gewinnen, würden die Demokraten die Oberhand im Kongress erhalten. Biden könnte dann Reformvorhaben, Gesetze und Personalentscheidungen deutlich leichter umsetzen.

Vorerst aber blieb es in Georgia eine Zitterpartie für beide Seiten. Über Stunden hinweg lieferten sich die Kandidaten Kopf-an-Kopf-Rennen. Erst in den Morgenstunden konnte sich der Baptistenprediger Warnock zum Sieger erklären. Sein Erfolg allein reicht jedoch nicht, um die Mehrheitsverhältnisse im Senat zu kippen. Können die Republikaner nur einen der Sitze verteidigen, behaupten sie ihre Kontrolle über den Senat.

Der Fokus richtete sich somit ganz auf das zweite Rennen. Hier lag nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen der demokratische Herausforderer Jon Ossoff minimal vor dem republikanischen Amtsinhaber David Perdue. Nach Angaben des Datenanbieters Edison Research betrug der Vorsprung des 33-jährigen Dokumentarfilmmachers gerade einmal 16'370 Stimmen - oder 0,4 Prozentpunkte. Georgias Wahlleiter Brad Raffensperger rief eine Pause bei der Auszählung aus. "Gegen Mittag werden wir hoffentlich eine bessere Vorstellung davon haben, wo wir stehen", sagte er dem Sender CNN. Zu deutscher Zeit wäre das am frühen Mittwochabend. Wegen der zahlreichen Briefwahlstimmen ist aber auch eine tagelange Hängepartei möglich.

Biden und Demokraten knacken Republikaner-Hochburg

Die Stichwahlen waren nötig geworden, weil im November bei der parallel zur Präsidentenwahl ausgetragenen Kongresswahl keiner der Bewerber in Georgia die absolute Mehrheit erringen konnte. Allein das war eine Überraschung, denn seit Jahrzehnten war der Bundesstaat im konservativen Süden der USA fest in republikanischer Hand. Mit Warnock schaffte es erstmals seit 20 Jahren ein Demokrat, in Georgia einen Senatsposten zu erobern. Bidens knapper Sieg in dem Bundesstaat war gar seit fast 30 Jahren der erste Erfolg für einen demokratischen Präsidentschaftsbewerber in Georgia. "Uns wurde gesagt, dass wir diese Wahl nicht gewinnen können. Aber heute Nacht haben wir bewiesen, dass mit Hoffnung, harter Arbeit und den Menschen auf unserer Seite alles möglich ist", erklärte Warnock, der als erster Schwarzer für Georgia in den Senat einzieht.

Sollte auch noch Ossoff triumphieren, käme es im Senat künftig zu einem 50-zu-50-Patt zwischen Republikanern und Demokraten. Die entscheidende Stimme läge dann bei der künftigen demokratischen Vizepräsidentin Kamala Harris, die zugleich Senatspräsidentin wird. Faktisch könnte sie bei unentschiedenen Abstimmungen also den Demokraten die Oberhand verschaffen.

Biden würde das das Regieren zumindest bis zur nächsten Kongresswahl in zwei Jahren deutlich einfacher machen, da er erheblich weniger Widerstand im Senat zu befürchten hätte. Unter anderem muss die Kammer die Ernennung von Regierungsmitgliedern bestätigen. Aber auch bei wichtigen politischen Projekten, wie Biden sie etwa im Bereich der Wirtschaft oder dem Klimaschutz plant, hat der Senat mitzureden. Völlig entmachtet wären die Republikaner allerdings auch bei einem Verlust ihrer Mehrheit nicht, denn die meisten Gesetzesinitiativen benötigen die Unterstützung von mindestens 60 der 100 Senatoren.

Abrechnung mit Trump

Ob sich die Republikaner jedoch automatisch auf eine strikte Blockadepolitik verlegen, ist keineswegs ausgemacht. Die Partei ist zerrissen zwischen treuen Trump-Anhängern und jenen, die ihm die Schuld an der Niederlage bei der Präsidentenwahl geben. Sollten die Demokraten tatsächlich auch die Senatsmehrheit erobern, würden sich die jüngsten Präsidenten- und Kongresswahlen endgültig als Abrechnung mit Trumps Politik entpuppen, die das Land so sehr gespalten hat wie seit Jahrzehnten nicht.

Trump ficht das nicht an. Noch immer weigert er sich, seine Niederlage im November anzuerkennen und lässt keine Gelegenheit aus, angeblichen Wahlbetrug anzuprangern - ohne Beweise für seine Behauptungen zu liefern. Auch der Wahlkampf in Georgia wurde davon überschattet. Als selbst mehrfache Nachzählungen nichts am Sieg Bidens in dem Bundesstaat änderten, übte Trump am Samstag noch einmal persönlich in einem Telefonat Druck auf den Wahlleiter aus, genügend Stimmen zu "finden", um Bidens Sieg zu kippen.

Trumps Anhänger finden daran nichts Verwerfliches. Auch sie sehen ihr Idol um den Sieg betrogen und befürchten, dass Biden in den USA ein sozialistisches Zeitalter anbrechen lassen wird. Noch am Mittwoch wollen sie darum Trumps Aufruf folgen und in Washington protestieren, während im Kongress Bidens Sieg endgültig bestätigt werden soll. Erwartet werden zahlreiche Rechtsextreme. Die Stimmung ist aufgeladen. Viele republikanische Senatoren, die sich weigern, Bidens Sieg infrage zu stellen, haben Todesdrohungen erhalten. Die Behörden sind auf potenzielle Ausschreitungen eingestellt.

(AWP)