Senat und Repräsentantenhaus votierten am Donnerstag gemäß den Ergebnissen in den einzelnen Bundesstaaten, wie Vize-Präsident Mike Pence erklärte. Damit ist der Weg für Bidens Amtseinführung am 20. Januar frei. Der noch amtierende Präsident Donald Trump sicherte eine geordnete Machtübergabe zu, nachdem seine Anhänger zuvor das Kapitol - das Herz der US-amerikanischen Demokratie - gestürmt hatten. "Selbst wenn ich mit dem Ergebnis der Wahl absolut nicht übereinstimme und die Fakten mich bestätigen, wird es trotzdem am 20. Januar eine ordentliche Amtsübergabe geben", erklärte Trump der Twitter-Meldung eines Sprechers des US-Präsidialamtes zufolge.

Weltweit äußerten sich Politiker verstört über die Vorfälle in Washington. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin: "Mich haben diese Bilder wütend und auch traurig gemacht." Eine der Grundregeln der Demokratie sei, dass es nach Wahlen Gewinner und Verlierer gebe. Sie bedaure, dass Trump seine Niederlage immer noch nicht eingestanden habe. Sie sei sich aber auch sicher, dass sich diese Demokratie als viel stärker erweisen werde als die Angreifer und Randalierer.

Der französische Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Twitter, er vertraue auf die Stärke der Demokratie in den USA. "Was in Washington passiert ist, ist nicht amerikanisch." Auch die britische Innenministerin Priti Patel machte Trump direkt für die Unruhen am Kapitol verantwortlich. Seine Äußerungen hätten zu den Ausschreitungen geführt. Er habe die Gewalt nicht verurteilt und das sei falsch. Auch US-Finanzminister Steven Mnuchin bezeichnete die Gewalt als vollständig unakzeptabel. "Unsere Demokratie wird obsiegen", sagte er in Jerusalem. Die Amerikaner sollten wieder zusammenfinden.

In Trumps Umfeld mehren sich die Rücktritte

Bidens Vereidigung ist für den 20. Januar vorgesehen. In Trumps Umfeld mehrten sich als Reaktion auf die Vorfälle die Rücktritte. So nahm der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater des Präsidialamtes, Matt Pottinger, seinen Hut. Das berichteten mehrere US-Medien. Pottinger war maßgeblich für die China-Politik von Trump verantwortlich. Der Nationale Sicherheitsberater Robert O'Brien erwäge ebenfalls seinen Rücktritt, sagten Insider zu Reuters. Auch zwei Spitzenberaterinnen der First Lady Melania Trump traten Insidern zufolge im Zuge der Gewalt in Washington zurück.

Am Mittwoch hatten aufgewiegelte Trump-Unterstützer scharenweise Polizeiabsperrungen durchbrochen und waren in das Kapitol eingedrungen, während die Senatoren und Abgeordneten gerade dabei waren, Bidens Sieg vom November formell zu bestätigen. Die Sitzungssäle mussten evakuiert werden. Beamte zückten ihre Waffen und setzten Tränengas ein. Eine Frau kam ums Leben, nachdem auf sie geschossen wurde, wie die Polizei mitteilte.

Die genauen Umstände blieben zunächst unklar. Drei weitere Menschen starben den Angaben zufolge an medizinischen Komplikationen. Es dauerte über drei Stunden, bevor die anfangs überforderte Polizei mit Hilfe von Nationalgardisten und FBI das Gebäude wieder sichern konnte und die Unruhestifter abzogen. 52 Menschen wurden festgenommen.

"In dieser Stunde wird unsere Demokratie angegriffen", sagte Biden in einer Fernsehansprache. "Das ist kein Protest. Das ist Aufruhr." Er forderte Trump auf, vor die Kameras zu treten, seine Anhänger zurückzurufen und "die Belagerung des Kapitols" zu beenden. Trump reagierte zunächst mit einer über die sozialen Medien verbreiteten Video-Ansprache, in der er aber nur wiederholte, die Wahl sei gestohlen worden. Dann äußerte er Verständnis für seine Anhänger: "Ich weiß, wie Ihr Euch fühlt." Dennoch sei es jetzt wichtig, friedlich zu bleiben und nach Hause zu gehen. Mehrere Plattformen nahmen das Video wegen der unbelegten Behauptungen wenig später vom Netz. Twitter und Facebook sperrten die Konten des Präsidenten vorläufig.

Schwerster Angriff auf das Kapitol

Der Sturm auf das Kapitol war der schwerste Angriff auf das Gebäude, das wie kaum ein anderes für die US-Demokratie steht. "Die heutige Gewalt am Kapitol wird zurecht als ein Moment großer Schmach und Schande für unsere Nation eingehen", erklärte Trumps Vorgänger Barack Obama. Er warf dem Präsidenten vor, mit seinen ständigen Lügen über den Wahlausgang die Gewalt angestiftet zu haben. "So wird um Wahlergebnisse in einer Bananenrepublik gestritten, nicht in unserer demokratischen Republik", erklärte der ehemalige Präsident George W. Bush, ein Republikaner. "Das rücksichtslose Verhalten einiger unserer politischen Anführer seit der Wahl widert mich an."

In dem Chaos ging fast unter, dass die Republikaner eine weitere herbe politische Niederlage einstecken mussten. Bei zwei Senats-Stichwahlen im Bundesstaat Georgia mussten sich die republikanischen Amtsinhaber ihren demokratischen Herausforderern geschlagen geben, wie Berechnungen des Datenanbieters Edison Research ergaben. Die Demokraten haben nun die Oberhand im Kongress. Biden kann Reformvorhaben, Gesetze und Personalentscheidungen deutlich leichter umsetzen, sobald er vereidigt wird.

(Reuters)