Auch andere westliche Staaten haben nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban Luftbrücken gestartet. Das Nato-Hauptquartier in Brüssel teilte auf Anfrage mit, es habe noch keine genaue Zahl, wie viele Menschen insgesamt über die Luftbrücke ins Ausland gebracht worden seien. Nach Angaben aus den verschiedenen Hauptstädten sind es schon mehr als 10 000. Tausende warten aber immer noch in zunehmender Verzweiflung auf eine Möglichkeit, Afghanistan verlassen zu können.

Am Sonntag war Afghanistans Präsident Aschraf Ghani fluchtartig ausser Landes geflogen. Wenige Stunden später nahmen die Taliban kampflos die 5,4 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt Kabul ein. Der Zeitdruck für Evakuierungen wächst, weil die USA ihren Abzug aus Afghanistan eigentlich bis zum 31. August beendet haben wollen.

Wie viele Schutzsuchende die USA genau in Sicherheit bringen müssen, ist nach Angaben des Verteidigungsministeriums unklar. US-Präsident Biden sprach von etwa 50 000 bis 65 000 Helfern einschliesslich ihrer Familien. Am Freitag warteten rund 6000 Menschen mit gültigen Papieren darauf, von US-Militärmaschinen ausgeflogen zu werden, berichtete der US-Sender CNN. Die US-Streitkräfte wollen die Zahl der täglich ausgeflogenen Menschen deutlich steigern. Flugzeuge stehen dem Pentagon zufolge für 5000 bis 9000 Menschen pro Tag bereit.

Die Regierung in London hatte angekündigt, täglich rund 1000 Menschen auszufliegen. Dieses Ziel sei in den vergangenen 24 Stunden erreicht worden, sagte Verteidigungsstaatssekretär James Heappey am Freitag dem Sender Sky News. Bis Mitte der Woche hatten offiziellen Angaben zufolge bereits mehr als 300 britische Staatsbürger und über 2000 afghanische Ortskräfte das Land verlassen.

Frankreichs Aussenministerium teilte mit, bis Donnerstagabend seien knapp 500 Menschen ausgeflogen worden. Dazu seien bislang drei Flüge organisiert worden. Darüber hinaus seien bereits zwischen Mai und Juli Hunderte Franzosen und afghanische Ortskräfte in Erwartung der aktuellen Krise ausser Landes gebracht worden. Frankreich wies darauf hin, im Gegensatz zu anderen Ländern noch vor Ort Visa an gefährdete Afghanen auszustellen.

Spanien hat mehr als 160 Menschen ausgeflogen. Eine weitere zweite Maschine startete am Freitagmorgen mit 110 Spaniern und Afghanen, wie Ministerpräsident Pedro Sánchez auf Twitter mitteilte. Zu den Ausgeflogenen gehört nach Angaben des staatlichen Radiosenders RNE auch Nilofar Bayat, die Kapitänin der afghanischen Rollstuhlbasketballmannschaft. Insgesamt wolle Spanien rund 600 Menschen aus Afghanistan in Sicherheit bringen, berichtete die Tageszeitung "El Mundo" unter Berufung auf die Regierung.

Italien hat im Zuge der Operation "Aquila Omnia" eine Luftbrücke mit acht Militär-Transportflugzeugen eingerichtet. Die Menschen werden von Kabul nach Kuwait ausgeflogen und von dort weiter nach Italien. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums evakuierte Italien (Stand Freitagmorgen) seit Juni rund 900 frühere afghanische Mitarbeiter und ihre Familien. Ungefähr 800 davon wurden nach Italien gebracht. Mehr als 1500 italienische Soldaten seien an dem Einsatz beteiligt./da/DP/mis

(AWP)