Über die Volksinitiative "Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank! (Vollgeld-Initiative)" werden die Schweizer Stimmberechtigten am 10. Juni 2018 abstimmen. Mit dieser Forderung will ein privates Initiativkomitee die gängige Geldpolitik in der Schweiz auf den Kopf stellen. Die Gegner sprechen von einem gefährlichen Experiment, während die Befürworter mehr Finanzstabilität erwarten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Vollgeld.

Was will die Vollgeld-Initiative konkret?

Nur noch die Schweizerische Nationalbank (SNB) soll elektronisches Geld bereitstellen können. Geschäftsbanken hingegen, die solches Geld ebenfalls herstellen können, werden zu reinen Geldvermittlern, die Kredite ausschliesslich mit Geldern vergeben, welche zu 100 Prozent von der SNB gedeckt sind. Ausserdem soll die SNB Geld "schuldfrei" in Umlauf bringen (also ohne Gegenleistung), indem sie es direkt an den Bund, die Kantone oder die Bevölkerung verteilt.

Wie funktioniert die Geldschöpfung aktuell?

Einerseits gibt es Zentralbankgeld, andererseits Buchgeld der Geschäftsbanken. Ersteres wird durch die SNB geschaffen. Es setzt sich zusammen aus Banknoten, die sich im Umlauf befinden, und den Sichtguthaben, welche die Geschäftsbanken bei der SNB halten. Der deutlich höhere Anteil des sich im Umlauf befindenden Geldes (ungefähr 90 Prozent) besteht jedoch aus Buchgeld, das nur elektronisch existiert. Dieses wird von Geschäftsbanken geschöpft, indem sie Kredite vergeben.

Wie macht sich für den Bankkunden der Unterschied zwischen Buchgeld und Zentralbankgeld bemerkbar?

Buchgelder bei Banken gelten im Gegensatz zum Zentralbankgeld nicht als gesetzliches Zahlungsmittel. Es handelt sich lediglich um einen Anspruch auf Zentralbankgeld. Bankkunden können ihr elektronisches Guthaben bei ihrer Bank jedoch in Bargeld (also Zentralbankgeld) umwandeln lassen, indem sie Geld abheben. Deshalb merkt der Kunde grundsätzlich keinen Unterschied zwischen diesen beiden Geldarten. Mit Ausnahme eines Krisenfalls: Ist die betreffende Bank insolvent, dann kann der Kunde seinen Anspruch auf Zentralbankgeld nur noch bis zur Höhe der Einlagensicherung (100‘000 pro Bank und Kunde) geltend machen. Wobei in Extremfällen auch die 100'000 Franken nicht garantiert sind. Denn: Reichen die Einlagen der Bank nicht aus, darf sie von übrigen Banken insgesamt nur maximal 6 Milliarden Franken für die Deckung dieser Ansprüche verwenden.

Wie würde der Geldschöpfungsprozess unter einem Vollgeld-System funktionieren?

Die Initiative verlangt, dass es kein Buchgeld mehr gibt. Banken dürfen von sich aus kein Geld mehr schöpfen, sondern müssen auf das von der Nationalbank bereitgestellte Geld zurückgreifen. Wenn sie Kredite vergeben, müssen diese durch Spareinlagen, Schuldverschreibungen oder Eigenkapital finanziert werden. Die SNB wiederum muss dann jeweils die nötige Geldmenge bereitstellen, indem sie Neugeld verzinslich Banken zur Verfügung stellt - oder schuldfrei an Bund, Kantone oder den Bürgerinnen und Bürgern verteilt. (Fortsetzung nach dem Umfragekasten)

Was sind die Argumente der Vollgeld-Befürworter?

Durch Vollgeld wird das Finanzsystem gemäss den Befürwortern stabiler. Von der SNB geschöpfte Gelder werden den Finanzmarkt umgehen und können so direkt in der Realwirtschaft eingesetzt werden. Gleichzeitig verlieren Geschäftsbanken an Macht und staatliche Bank-Rettungen sind nicht mehr notwendig. Auch das Risiko von "Bank Runs" wird minimiert: Da Gelder durch die SNB abgesichert sind, besteht für Bankkunden im Insolvenzfall kein Verlustrisiko mehr. Darüber hinaus wird die Geldpolitik der Notenbank durch Vollgeld einfacher. Die SNB hat die volle Kontrolle über die Geldmenge und muss sich nicht mehr darum sorgen, wie viel Buchgeld die Geschäftsbanken kreieren.

Was sagen die Gegner?

Gegner sehen den System-Umbau als Hochrisikosprung mit ungewissem Ausgang - der ausserdem ohne Not geschieht, da das jetzige System gut funktioniert. Die Umstellung kann den Franken massiv schwächen und zum Ausverkauf am Aktienmarkt führen. Problematisch ist auch die Kreditvergabe: Geschäftsbanken sind marktnah und können im bisherigen System die Kreditmenge flexibel gestalten. Die Nationalbank hingegen müsste im Vollgeld-System die Nachfrage selber messen. Dadurch kann sie das Kreditangebot erst mit einer gewissen Verzögerung anpassen, was der Wirtschaft schadet. Da Geld an Bund, Kantone oder die Bevölkerung gegeben wird, besteht ausserdem die Gefahr einer Politisierung der Geldausgabe.

Wer ist für Vollgeld?

Lanciert wurde die Initiative vom überparteilichen Verein Monetäre Modernisierung (MoMo). Es gibt vereinzelt Zustimmung von Wissenschaftlern, Politikern, Finanzleuten und Prominenten. Befürworter sind etwa der Anfang Jahr verstorbene  HSG-Wirtschaftsprofessor Hans Christoph Binswanger, der ehemalige UBS-Direktor Hans Zuberbühler, Ex-Banker und Whistleblower Rudolf Elmer, SP-Politikerin Jacqueline Badran oder Komiker Peach Weber.

Wer ist dagegen?

Der Bundesrat und das Parlament haben die Nein-Parole beschlossen. Ausserdem sind sämtliche Regierungsparteien gegen die Initiative - mit Ausnahme der Grünen, die keine Stimmempfehlung abgeben. Auch die Economiesuisse, der Schweizerische Gewerkschaftsbund, die Schweizerische Bankiervereinigung und Swissmem sprechen sich gegen Vollgeld aus. Hinzu kommt die direkt betroffene SNB, die sich ebenfalls gegen die Initiative stark macht.

Wie gut stehen die Chancen für die Initiative?

Gemäss SRG-Trendumfrage von Anfang Mai lehnen 49 Prozent Vollgeld ab. 35 Prozent der Befragten waren dafür, 16 Prozent noch unentschlossen. Sympathien für die Initiative gab es vor allem von SP- und SVP-Wählern.