Die überaus komplexe Initiative wurde von Finanzexperten ins Leben gerufen - darunter Wissenschaftler und Banker. Die Regierung und die Notenbank lehnen das Vorhaben ab - ebenso wie diverse Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie viele Banken. In der Bevölkerung fällt das Votum jedoch nicht so eindeutig aus: Einer Umfrage der Mediengruppe Tamedia von Ende April zufolge sind 42 Prozent klar oder eher für die Initiative, 45 Prozent lehnen sie ab und 13 Prozent machten keine Angaben. Eine andere Umfrage im Auftrag des Schweizer Rundfunks SRG kam mit 35 Prozent auf eine geringere Zustimmungsrate.

Es folgt ein Überblick über einige Ziele der Initiative und mögliche Folgen für Banken, deren Kunden sowie die Notenbank und den Franken. 

Was will die Initiative?

Im Kern will sie die Kreditvergabe der Banken beschränken und die Ausweitung der Geldmenge eindämmen. Das soll gelingen, indem Banken nur noch Geld verleihen dürfen, welches sie dafür zur Verfügung gestellt bekommen - über langfristige Spargelder, andere Banken oder die Schweizerische Nationalbank (SNB).

Bislang können Banken Geld "schaffen", indem sie bei der Kreditvergabe ihre Bilanz ausweiten: Bei einem Darlehen über 100.000 Franken wird dieses auf einer Seite der Bank-Bilanz als Forderung gegenüber dem Kunden verbucht und auf der anderen Seite der Betrag auf dem Konto des Kunden gutgeschrieben. Das können Banken in einem ersten Schritt auch machen, ohne dass sie über diese Gelder verfügen. Wenn der Kunde das Geld dann tatsächlich verwendet, etwa um sich ein Haus zu kaufen, dann müssen Banken in einem zweiten Schritt den abfliessenden Betrag refinanzieren - über einen Kredit bei einer anderen Bank, Spareinlagen oder Notenbankgeld.

  • Die Aufgabe der SNB: Die Steuerung der Geldmenge würde in einem solchen Szenario allein der Notenbank obliegen, denn sie ist dann die einzige Institution, die dem System neues Geld zuführen kann. Sie würde die Geldpolitik vornehmlich auch über die Veränderung der Geldmenge steuern - und nicht mehr wie aktuell über den Leitzins, der die Konditionen für Kredite an Unternehmen und Privatpersonen beeinflusst. Nach Einschätzung der Befürworter der Initiative wäre jedoch auch eine Zinssteuerung weiterhin möglich. Um die Geldmenge zu erhöhen, hätte die SNB mehrere Möglichkeiten: Zum einen könnte sie Geld an die Banken ausgeben, um damit deren Kreditvergabe anzukurbeln.

 

  • Gratisgeld für die Bürger: Zum anderen könnte sie Geld einfach verschenken, indem sie Franken druckt und an den Bund sowie Kantone oder sogar direkt an die Bürger ausgibt. Dieses "Bürgergeld" dürfte im Jahr pro Kopf einige Hundert Franken umfassen, wie die Initiatoren in Aussicht stellen. Die SNB sieht jedoch die Gefahr einer politischen Einflussnahme bei der Verteilung der Gelder.

 

  • Sichere Spareinlagen: Bank-Kunden hätten künftig Anspruch auf sogenannte Vollgeld-Konten, die ausserhalb der Bank-Bilanzen geführt werden. Das darauf gelagerte Geld wird zwar nicht verzinst, wäre bei einer Bank-Pleite jedoch sicher. Parallel dazu können Kunden weiterhin Anlagekonten besitzen, die verzinst werden.

 

  • Die Bilanzen der Banken: Sämtliche Giroguthaben bei den Banken müssten bei einer Systemumstellung auf Treuhandkonten ausserhalb der Bilanz überwiesen werden. Im Gegenzug sollen die Banken dafür Übergangskredite von der SNB erhalten. Sie schulden das Geld dann nicht mehr Privatpersonen und Unternehmen, sondern der SNB. An diese müssten sie die Kredite über die Zeit wieder zurückbezahlen.

 

Welche Auswirkungen sind denkbar?

  • Wirtschaft: Dem Ökonomen Philippe Bacchetta von der Universität Lausanne zufolge würde das Wachstum der Schweizerischen Wirtschaft in einem Vollgeld-System um 0,4 Prozent geringer ausfallen. Er unterstellt dabei ein positives Zinsumfeld wie in den Jahren von 1993 bis 2006 - und nicht die derzeit in der Schweiz geltenden Negativzinsen von minus 0,75 Prozent. Negativ dürfte sich vor allem die fehlende Verzinsung auf Kundeneinlagen bei Banken auswirken, ebenso die sinkenden Profite der Finanzinstitute. Zu den Gewinnern könnte die SNB zählen, die für ihre Kredite an Banken Zinsen kassiert.

 

  • Banken: Die Zürcher Kantonalbank argumentiert, die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte würde teurer, bürokratischer und langwieriger, weil Banken zur Refinanzierung von Darlehen künftig nicht mehr auf jederzeit kurzfristig verfügbare Sichteinlagen der Kunden zurückgreifen können. Negativ treffen würde die Initiative demnach vor allem kleinere und mittlere Banken, die auf das Zinsgeschäft angewiesen seien und sich nur schwer am Kapitalmarkt refinanzieren könnten. Doch auch die Grossbanken lässt das nicht kalt: Nach Einschätzung von UBS-Schweiz-Chef Axel Lehmann wäre eine Umstellung für das Schweizgeschäft der Grossbank "unangenehm". Die Bank könne aber damit umgehen. "Es würde uns nicht umbringen."

 

  • Franken: SNB-Präsident Thomas Jordan sieht die Gefahr einer Franken-Aufwertung. "Wenn man in ganz schwierigen Zeiten die Möglichkeit hat, unbeschränkt Zentralbankgeld zu bekommen, dann wird das eher den Wert des Frankens sehr stark erhöhen." Allerdings hänge es von der konkreten Situation ab. Daher sei eine genaue Prognose nicht möglich. Auch nach Einschätzung von UBS-Schweiz-Chefökonom Daniel Kalt könnte der Franken zulegen: "Dann will jeder auf diesem Planeten, wenn es irgendwo kriselt, diese Vollgeldwährung Schweizer Franken haben." Ein starker Franken ist jedoch schlecht für die exportorientierte Wirtschaft, weil er Schweizer Waren im Ausland teurer macht.

 

  • Inflation: Die SNB warnt zudem vor Schwierigkeiten bei der Steuerung der Geldmenge: Es sei unklar, wie sie in einem Vollgeldsystem Liquidität abschöpfen könne, wenn sie zuvor Franken gratis an die Bürger ausgegeben habe, so SNB-Präsident Jordan. Weil einmal geschaffene Liquidität kaum mehr verringert werden könne, drohe eine erhöhte Inflation.

(Reuters)