Die Angst etwas zu versäumen, präge die Stimmung, sagt Analyst Frank Wohlgemuth von der National-Bank in Essen. "Es herrscht aktuell die tief sitzende Sorge vor, den signifikanten Aufschwung zu verpassen."

Wegen der billionenschweren Hilfspakete von Notenbanken und Regierungen setzen Investoren auf eine kraftvolle Erholung der Weltwirtschaft von den Folgen der Virus-Krise. Diese Hoffnung könnte sich aber als trügerisch erweisen, mahnt Wohlgemuth. "Ein Vorkrisen-Niveau erscheint für eine lange Zeit weder in den USA noch in Europa erreichbar."

Risiken bleiben hoch

Auch seien andere potenzielle Auslöser für einen erneuten Kursrutsch nicht verschwunden, warnt Christopher Smart, Chef des Research-Hauses Barings Investment Institute. Das grösste Risiko gehe von einer zweiten Infektionswelle aus.

"Stark steigende Fallzahlen könnten den frühen Optimismus, der bereits tief in den Finanzmärkten verwurzelt ist, erschüttern." Andere Börsianer verweisen auf die weiter schwelenden Spannungen zwischen den USA und China als Risikofaktor.

"Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieser Anstieg die meist gehasste Rally aller Zeiten ist", sagt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Doch einen Crash auf Ansage hat es selten gegeben und solange Anleger immer wieder von neuem versuchen, sich gegen den Trend zu stellen, könnten die Kurse weiter steigen." Denn diejenigen, die auf einen Rücksetzer hofften, müssten ihre Wetten immer wieder auflösen und Aktien kaufen, um ihre Verluste zu begrenzen.

SMI über 10'000 Punkten

In der Schweiz hat der SMI die Linie von 10'000 Punkten am Mittwoch wieder überschritten. Am Freitag schloss der Leitindex mit den wichtigsten 20 Aktien der Schweiz bei 10'190 Punkten. Zum Rekordstand von Mitte Februar fehlen gut 1000 Punkte. 

 

 

Das Tagesplus von 1,4 Prozent am Freitag verdankte der Index nicht nur der guten Anlegerstimmung, sondern auch der Tatsache, dass in den USA im Mai wider Erwarten 2,5 Millionen Jobs entstanden waren. Experten hatten damit gerechnet, dass sich die Arbeitslosigkeit wegen der Coronavirus-Krise weiter erhöhen würde. 

Arbeitsmarktzahlen für den Mai werden in der Schweiz von Staatssekretariat für Wirtschaft Seco am nächsten Dienstag veröffentlicht. 

US-Notenbank Fed berät

Mit Spannung warten Börsianer auf die Ergebnisse der geldpolitischen Beratungen der US-Notenbank am Mittwoch. Eine erneute Zinssenkung gilt als unwahrscheinlich. Allerdings könnte sie ihren geldpolitischen Ausblick präzisieren und beispielsweise Details zu Dauer und Umfang ihrer Wertpapierkäufe liefern.

Wenige Stunden vor dem Fed-Entscheid stehen die US-Inflationsdaten auf dem Terminplan. Nach einem Rückgang um 0,8 Prozent im April wegen des Ölpreis-Verfalls und der Virus-Krise sagen Experten für Mai eine Stabilisierung der Verbraucherpreise voraus.

(Reuters/cash)