In Russland steht Präsident Wladimir Putin vor einem wichtigen Stimmungstest. Die Bürger sind aufgerufen ein neues Parlament zu wählen. Dazu haben sie noch bis Sonntagabend die Möglichkeit. Erwartet wird ein klarer Sieg von Putins Partei "Einiges Russland", allerdings mit einer geschrumpften Mehrheit.

Denn angesichts stagnierender Einkommen, der Pandemie-Politik und des harten Durchgreifens gegen Regierungskritiker haben die Zustimmungswerte nachgelassen und lagen zuletzt auf dem niedrigsten Wert seit 2006.

Als stärkster Konkurrent gelten die Kommunisten, die laut staatlichen Meinungsumfragen in den vergangenen Monaten an Popularität gewannen, gefolgt von der nationalistischen LDPR. Beide Oppositionsparteien stützen Putin in zentralen politischen Fragen.

Chancenlos sind die Verbündeten von Putins schärfstem Gegner Alexej Nawalny, der seit Anfang des Jahres im Gefängnis sitzt. Nawalnys Bewegung wurde als extremistisch eingestuft, seine Mitstreiter dürfen sich daher nicht zur Wahl stellen. Sie bezeichnen den Urnengang als Farce und rufen ihre Sympathisanten zu einer taktischen Stimmabgabe auf.

Demnach sollen je nach Wahlkreis die Kandidaten unterstützt werden, denen die besten Chancen eingeräumt werden, Putins Partei zu schlagen. Dazu hat das Nawalny-Lager eine eigene Wahl-App entwickelt. Allerdings haben die US-Technologieriesen Google und Apple diese App nun aus ihrem Angebot genommen, nachdem die russischen Behörden ihnen Einmischung in heimische Angelegenheiten vorgeworfen hatten.

Schmutzige Tricks

Die Stimmabgabe für die 450 Sitze umfassende Duma erfolgt in der Hauptstadt Moskau und anderen Regionen erstmals weitgehend elektronisch. Kritiker halten diese Neuerung für intransparent und missbrauchsanfällig. Der Urnengang ist unter Verweis auf Corona-Sicherheitsmassnahmen auf drei Tage angesetzt.

Auch dies sorgt für Bedenken: Die zeitliche Streckung erschwere die Aufdeckung von möglichem Wahlbetrug, wird bemängelt. Erstmals seit 1993 hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) keine Wahlbeobachter nach Russland geschickt.

Neben der Duma werden auch Regionalgouverneure und Kommunalparlamente gewählt. Regierungskritiker werfen den Behörden mitunter schmutzige Tricks im Vorfeld vor. So gab zuletzt der Kandidat Boris Wischnewski, der für eine Gemeindewahl in St. Petersburg antritt, bekannt, dass er mit zwei "Spielverderbern" gleichen Namens konkurriere, die in ihren offiziellen Bewerberfotos zudem die gleiche Bartfrisur trügen wie er.

Die nächste Präsidentenwahl ist 2024. Putin, der im kommenden Monat 69 Jahre alt wird, hat bislang offengelassen, ob er dann erneut antreten wird. Verfassungsreformen erlauben ihm, bis 2036 an der Macht bleiben zu können. 

(Reuters)