Die Schweizer Wirtschaft habe sich in der Corona-Pandemie als relativ widerstandsfähig erwiesen, erklärte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Donnerstag in ihrem neuesten Länderbericht zur Schweiz. Global wettbewerbsfähige Unternehmen, hochqualifizierte Arbeitskräfte und eine geringe Abhängigkeit vom Gastgewerbe und der Unterhaltungsbranche hätten die negativen Auswirkungen der Pandemiebekämpfungsmassnahmen gemildert.

Die Behörden hätten auch rasch grosszügige Unterstützung gewährt, um Einkommen und Liquidität aufrechtzuerhalten, während das hohe Vertrauen in die Regierung und das hocheffiziente Gesundheitssystem weniger strenge Abriegelungen ermöglicht hätten.

Kurzarbeitsregime wieder zurückfahren

Die Ausweitung der Kurzarbeitergeldregelung während der Pandemie habe zudem viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch Unternehmen geschützt, so die OECD weiter. Sie rät gleichzeitig, das Kurzarbeitsregime wieder zurückzufahren, sobald die meisten Pandemiebeschränkungen aufgehoben sind. Die fiskalische Unterstützung solle auf die am stärksten betroffenen und gefährdeten Sektoren beschränkt werden. Denn während einer Erholungsphase mache das Instrument den Arbeitsmarkt unflexibel.

Zudem sei die Haushaltspolitik der Schweiz solide und die Verschuldung niedrig, hielt die Organisation fest. Der fiskalische Spielraum könnte daher stärker genutzt werden.

Längere Arbeitszeiten

Grösseren Reformbedarf sieht die Organisation hingegen in der Altersvorsorge. "Eine grundlegende Rentenreform ist überfällig", heisst es im Bericht. Konkret empfiehlt die OECD der Schweiz etwa, das ordentliche Rentenalter der steigenden Lebenserwartung anzupassen, die Erwerbsanreize im Steuersystem zu stärken und den Zugang zu familienexterner Kinderbetreuung zu verbessern.

Insbesondere Frauen und ältere Arbeitnehmende sollten laut OECD besser in den Arbeitsmarkt eingebunden werden. Die Erwerbsquote der 65- bis 69-jährigen etwa sei in der Schweiz etwa 5 Prozent unter dem OECD-Durchschnitt, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Corman an einer Online-Medienkonferenz.

Defizite sieht die OECD auch im Binnenmarkt. Hier bestünden nach wie vor Hindernisse für einen freien und offenen Wettbewerb. So werde der Wettbewerb auf dem heimischen Markt nach wie vor über die Kantonsgrenzen hinweg behindert. Der Verwaltungsaufwand für Neugründungen sei zudem höher als bei den OECD-Spitzenreitern, und die Beilegung von Handelsstreitigkeiten nehme viel Zeit in Anspruch. Und das staatliche Engagement in der Wirtschaft, vor allem in den netzgebundenen Sektoren, und die vorteilhafte Stellung zahlreicher staatlicher Unternehmen schränkten den Wettbewerb ein.

Grundsätzlich zeichnet die OECD aber ein sehr optimistisches Bild. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Schweiz auf der Höhe ist für die Herausforderungen der Zukunft", so Corman. Bundesrat und Wirtschaftsminister Guy Parmelin zeigte sich an der Medienkonferenz denn auch erfreut. "Die positive Aussensicht zeigt uns, dass wir auf einem guten Weg sind", meinte er. Man werde die Empfehlungen der OECD aber genau studieren.

BIP-Wachstum von 3,0 Prozent

Im Zusammenhang mit dem Länderbericht hat die OECD auch ihre BIP-Prognosen für die Schweiz leicht angepasst. Sie erwartet für das laufende Jahr ein reales Wachstum von 3,0 Prozent und für 2023 von 1,8 Prozent.

Auch die Inflation dürfte gedämpft bleiben. Nach einem Anstieg um 0,6 Prozent - gemessen am Konsumentenpreisindex CPI - im Durchschnitt des Jahres 2021 dürfte die Teuerung in diesem Jahr wieder auf 1,1 Prozent steigen, bevor sie im nächsten Jahr auf 0,8 Prozent zurückgeht. Die Inflation in der Schweiz sei jedenfalls auf einem relativ bescheiden Niveau im Vergleich zu anderen Ländern, sagte Cormann. Dabei helfe auch der starke Franken, sie unter Kontrolle zu halten.

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(AWP)