Der Krieg in der Ukraine war in Davos allgegenwärtig: Die globalen Führungspersonen nutzten ihre Ansprachen vor dem Plenum dazu, den Krieg zu verurteilen. Auf der Promenade wurde das "Russland Haus", in dem üblicherweise Russinnen und Russen verkehren, in "Russland Kriegsverbrechen Haus" umbenannt und als Ausstellungsort für Kriegsbilder genutzt. Russland wurde wegen des Kriegs nicht zum WEF eingeladen.

In vielen Veranstaltungen riefen die Ukrainer ihre Forderungen in Erinnerungen. Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte in einer Videoansprache bei der Eröffnung die internationale Staatengemeinschaft zu "maximalen" Sanktionen gegen Russland auf. Es dürfe keinen Handel mit Russland mehr geben. Notwendig sei auch ein Öl-Embargo. Solange Russland Öl und Gas exportieren könne, werde Putins Krieg weiterfinanziert.

Wiederholt wurde mehrfach auch die Forderung nach schweren Waffen. "Wenn wir nicht schwere Waffen bekommen, werden wir getötet", sagte etwa der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba. Vor Schweizer Medien sagt er, er könne einsehen, dass die Schweiz wegen der Neutralität keine Munition liefern könne. Aber dass in anderen Ländern wie etwa Deutschland beim Kriegsmaterial die Entscheidungsfindung oder auch die Lieferungen so viel Zeit beanspruchten, könne er nicht mehr verstehen, betonte er in einer anderen Veranstaltung vor den Teilnehmenden.

Cassis bereitet Konferenz vor

Die Führungselite am WEF sagte der Ukraine grosse Unterstützung und Solidarität zu. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen etwa sagte, dass dies "ein entscheidender Moment für alle Demokratien" sei. Sie richtete ihren Blick auch in die Zukunft. Der Wiederaufbau der Ukraine "erfordert eine beispiellose Einheit", sagte sie. Es gehe aber nicht nur darum, die Schäden des Krieges zu beseitigen, sondern auch darum, die Zukunft zu gestalten.

Für die Planung dieses Wiederaufbaus richtet die Schweiz am 4. und 5. Juli im Tessin die Ukraine-Konferenz aus. Der Krieg dauere zwar noch an, aber es wäre "unverzeihlich", wenn man mit den Überlegungen nicht schon beginnen würde, sagte Cassis am WEF vor den Schweizer Medien. Der Bundespräsident nutzte die Zeit in Davos entsprechend, um in Gesprächen - etwa mit von der Leyen oder Kuleba - noch ein paar Schritte zu besprechen.

Selenskyj hofft auf Vorschläge

Vergangene Woche wurden 40 Länder und 18 Organisationen zur Konferenz eingeladen, wie Cassis in Davos sagte. Auch Selenskyj soll dabei sein, allerdings sei noch unklar, in welcher Form, sagte Cassis. Selenskyj sagte in seiner Videoansprache, dass er auf eigene Vorschläge aus der Konferenz hoffe. Die Ukraine selber habe etwa die Idee, dass gewisse Firmen gewissen Branchen und gewisse Länder gewisse Regionen in der Ukraine unterstützen könnten.

Klar ist, dass der finanzielle Bedarf gross ist. Die Rede ist von 600 Milliarden Dollar. Der per Video aus Kiew zugeschaltete ukrainische Premierminister Denys Schmyhal sagte an einer Medienkonferenz mit Cassis, dass die Zerstörung im Land massiv sei. Aber wenn die Leute in die Ukraine zurückkämen, würden sie das Land wiederaufbauen - die Strassen, die Häuser, die Spitäler, die Brücken. Es gebe viel Arbeit, sagte Schmyhal.

Gespräche für Schweizer Schutzmandat

Wann der Krieg ein Ende findet, ist derzeit nicht absehbar. Die Friedensgespräche stünden nirgends, sagte Kuleba. Wenn Putin bereit wäre für Gespräche, würde es jetzt nicht einen so massiven Angriff im Donbass geben. Als Vermittler agiert derzeit die Türkei. Die Schweiz sei bereit, ein Schutzmandat für die Ukraine in Russland und umgekehrt zu übernehmen, sagte Cassis. Der ukrainische Aussenminister bestätigte vor den Medien, dass es Gespräche dazu gebe.

Ungefähr 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft diskutierten an den dreieinhalb Tagen in Davos über Lösungen für internationale Probleme. Wegen des Ukraine-Kriegs wurden andere Themen wie die Klimakrisen oder die Folgen der Pandemie aber eher verdrängt.

Auch kein grosses Thema war die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU. Er habe sich zwar mit von der Leyen kurz darüber unterhalten, sagte Cassis vor den Medien. Allerdings habe jetzt der Krieg in der Ukraine mehr Priorität als die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU.

mk/

(AWP)