Nach seiner Entlassung bei einer Schweizer Grossbank war Paul W. mehr als ein Jahr lang auf Jobsuche. Er hoffte anfangs, in seinem angestammten Bereich – dem Relationship Management – bei einem anderen Finanzinstitut Fuss fassen zu können. Sein über Jahre aufgebautes internationales Beziehungsnetz würde ihm dabei behilflich sein, so die Überzeugung. In seinem Job war er häufig im Ausland unterwegs, arbeitete auch am Wochenende und freute sich über einen Bonus im mittleren fünfstelligen Bereich.

Doch es stellte sich heraus, dass im Bereich, in dem Paul W. jahrelang Karriere gemacht hatte, kaum noch Leute angestellt wurden. Und wenn trotzdem einmal ein Kontakt zustande kam, scheiterten die Gespräche meist schon an den Lohnvorstellungen.

"Einen Job fand ich erst als ich mich grundlegend neu ausrichtete und massive Lohneinbussen hinnahm", sagt Paul rückblickend. Heute arbeitet er bei einem Verlag, pflegt und schafft dort die Kontakte zu Werbekunden und anderen Partnern. Zwar für weniger Lohn, aber mit viel mehr Zeit für Frau, Kinder und Hund – im Nachhinein eine Veränderung, mit der er mehr als zufrieden ist.

Der Sektor schrumpft laufend

Paul W. ist kein Einzelfall. Denn die Konsolidierung im Bankensektor ist längst nicht mehr von der Hand zu weisen. Nicht nur sorgen tiefe Zinsen für Margendruck. Auch halten neue Regulierungen und Digitalisierungsstrategien die Geldhäuser auf Trab. So ist in den letzten zehn Jahren jede fünfte Bank in der Schweiz verschwunden, wie Zahlen der Bankiervereinigung zeigen.

"Die Reduktion der Anzahl Arbeitsplätze durch die Realisierungen von Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsmassnahmen ist somit ein Dauerthema", schrieb der Branchenverband in seinem jüngsten Bankenbarometer.

Folglich schrumpft auch die Anzahl Beschäftigter im Schweizer Bankensektor. Alleine im ersten Halbjahr 2016 wurden 4,1 Prozent der Stellen im Inland abgebaut, wie die Bankiervereinigung im September bekanntgab. Die Anzahl Beschäftigter erreichte vor Ausbruch der Finanzkrise ihren Höhepunkt bei rund 110'000 und ist seither rückläufig. 2015 waren 103'000 Personen in der Finanzindustrie angestellt, wie die folgende Grafik zeigt.

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Arbeitslosenquote in der Finanzbranche relativ stabil ist und zudem deutlich tiefer als im landesweiten Durchschnitt: Sie pendelte in den letzten Jahren um die Marke von 2 Prozent, während schweizweit die Quote zwischen 3 und 3,5 Prozent schwankte.

Doch damit könnte es bald vorbei sein, denn die Ankündigungen von Sparprogrammen beim Bankpersonal häufen sich. "Ich befürchte, dass sich die Arbeitslosigkeit beim Bankpersonal an den nationalen Durchschnitt angleichen wird. In nächster Zeit könnte es insbesondere bei international tätigen Banken zu Personalentlassungen kommen", sagt Denise Chervet vom Bankpersonalverband zu cash.

In der Bankbranche parkiert

Laut Geschäftsführerin Chervet dürfte es vor allem Bereiche treffen, die durch neue Synergien oder aufgrund strategischer Entscheide überflüssig geworden sind. Im Klartext heisst das, Berufe aus den Bereichen Backoffice oder Informatik-Dienstleistungen. Doch das Schlimmste ist die Ungewissheit über die eigene Zukunft, die derzeit viele Bankangestellte beschäftigt.

"Wir registrieren eine grosse Verunsicherung beim Bankenpersonal. Viele Jobs werden gestrichen oder ausgelagert", sagt Kristian Asanin von Jobsolution, einer Vermittlungsagentur für kaufmännische Berufe. An den Bankern, die sich bei ihm melden, fällt ihm vor allem eines auf: Die hohen Lohnvorstellungen sind bei der Vermittlung ein grosses Problem. Ein langjähriger Sachbearbeiter verdiene häufig rund 100'000 Franken im Jahr und sei nicht bereit, davon abzurücken. "Von ihrem hohen Ross kommen viele Stellensuchende dann erst mit der Zeit herunter", so Asanin. Kaufmännisches Personal aus anderen Branchen sei diesbezüglich viel flexibler.

Kommt hinzu, dass viele Bankberufe stark spezialisiert sind. Erfahrene Wertschriftenhändler, Fondsmanager oder Devisenspezialisten können ihr Know-how nur bedingt in anderen Branchen einsetzen. Auch Weiterbildungen beziehen sich in den meisten Fällen nur auf ein Fachgebiet und eröffnen keine neuen Perspektiven. Solche Leute sind gewissermassen in der Bankbranche parkiert.

Freiwillig neue Wege gehen

Auch für Denise Chervet vom Bankpersonalverband ist deshalb klar, dass Bankangestellte auf Stellensuche, wie alle Leute, flexibel sein müssen. Insbesondere was den Lohn, die Sozialleistungen und den Arbeitsort betrifft. So erging es auch einem Zürcher Banker, der nach langer Stellensuche wieder einen Arbeitgeber fand. Nun pendelt er allerdings täglich mit dem Auto zwischen seinem Wohnort Dietikon ZH und der Bank in St. Gallen, wie er erzählt.

Diese Flexibilität bringen vor allem junge Leute mit, wie Jobvermittler Asanin sagt. Auch sind es mehrheitlich Leute um 40, die vermehrt einer Entlassung zuvorkommen und sich freiwillig neu orientieren wollen. "Sie sind sich bewusst, dass ein solcher Schritt ab 50 deutlich schwieriger wird", so Asanin.

Um solche Ex-Banker geht es auch im Buch "Bye Bye Bank" von Matthias Weiss. Er hat 21 Personen portraitiert, die alle – aus unterschiedlichen Gründen – nach einiger Zeit im Finanzwesen neue Wege gegangen sind. "Wer sich freiwillig für einen Neuanfang entschied, führte oft auch moralische Vorbehalte gegenüber dem Finanzsektor an", sagt Weiss im Gespräch. Heute arbeiten die Protagonisten bei der Migros, als Winzer oder als Teehändler. Gemeinsam sei aber der Wunsch gewesen, das zu machen, was einem entspricht.