Der Vorstoss der grossen Zentralbanken, die Politik der Krisenzeit umzukehren, dürfte sich angesichts der Pläne für höhere Zinssätze und kleinere Bilanzen ins Jahr 2019 hinein beschleunigen. Eine so genannte quantitative Straffung droht dann Dollar und Euro aus Ländern aufzusaugen, deren Regierungen und Unternehmen an billigen Schulden festhielten, ohne dass die Fundamentaldaten ihrer Volkswirtschaften verbessert wurden.

Die Federal Reserve lässt bereits einen Teil ihrer Anleihenbestände fällig werden. Die Europäische Zentralbank plant, im Dezember den Kauf von Anleihen einzustellen. Bloomberg Economics geht davon aus, dass die Nettoaktivakäufe der drei wichtigsten Zentralbanken von nahezu 100 Milliarden Dollar monatlich von Ende 2017 bis Ende dieses Jahres auf Null sinken werden.

Der sich abzeichnende Umschwenk beim Billiggeld bedeutet, dass Anleger von Besorgnis über idiosynkratische Faktoren in Märkten wie der Türkei und Argentinien zu einer grösseren Nervosität im Hinblick auf solche Schwellenländer übergehen können, die von billiger Liquidität abhängig sind. Polen und Malaysia zum Beispiel haben Auslandsschulden in Höhe von etwa 70 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts, wie Daten des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zeigen.

"Es herrscht immer noch Selbstzufriedenheit in Schwellenländern", sagte Alberto Gallo, Vermögensverwalter bei Algebris Investments in London. "Bei den Emerging-Markets-Schulden blinkt rotes Licht."

Schwellenländer: Verschuldung steigt

Das Institute for International Finance schätzt, dass sich die Verschuldung von Haushalten, Regierungen, Unternehmen und dem Finanzsektor in den 30 Schwellenländern, die es beobachtet, von 143 Prozent des Bruttoinlandsprodukt Ende 2008 auf 211 Prozent Anfang 2018 erhöht hat. Bei 21 dieser Länder kletterte das Volumen der auf Dollar lautenden Anleihen im gleichen Zeitraum von 2,8 Billionen Dollar auf rund 6,4 Billionen Dollar.

Der IWF schätzt, dass die öffentliche Verschuldung in den Schwellenländern und den Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen im Durchschnitt fast 50 Prozent des BIP ausmacht - die höchste Quote seit der Schuldenkrise der 1980er Jahre. In einem Fünftel dieser Länder liegen die Werte bei über 70 Prozent.

Und, vielleicht am beunruhigendsten, belaufen sich alleine die in US-Dollar denominierten Verbindlichkeiten von Unternehmen in den Schwellenländern nach Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich auf 3,7 Billionen US-Dollar. Das ist doppelt so hoch wie im gleichen Zeitraum 2010.

Vor diesem Hintergrund betrachtet Bloomberg Economics die Türkei, Argentinien, Kolumbien, Südafrika und Mexiko als am verletzlichsten für Investoren angesichts einer potenziell toxischen Kombination aus schneller Inflation und aufgeblähten Leistungsbilanz- und Haushaltsdefiziten.

"Die Regierungen, Unternehmen, Banken und Haushalte in Schwellenländern haben Dollar-Verbindlichkeiten, die ein Problem werden, wenn der Dollar steigt", schrieben Stephen Jen und Joana Freire von dem in London ansässigen Hedgefonds Eurizon in ihrem jüngsten Bericht. "Man bekommt erst einen Kater, wenn man aufhört zu trinken."

Bank of Japan als Fallstudie

Sicherlich ist nicht jedes Schwellenland dem gleichen Risiko ausgesetzt, und viele versuchten sich im letzten Jahrzehnt zu schützen. Die durchschnittlichen Inflationsraten liegen auf Rekordtiefständen und die Leistungsbilanzsalden verbessern sich. Ein frühes Opfer der Asienkrise der 1990er Jahre, Thailand, weist nun gesunde Reserven und einen seltenen Leistungsbilanzüberschuss auf.

Bloomberg Economics bewertet Südkorea und Taiwan ebenfalls als relativ robust. Dennoch besteht der Druck zu reagieren selbst für jene aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien, die durch starke Reserven und robuste Fundamentaldaten gestützt werden.

Die Strategen von Morgan Stanley betrachten die Entscheidung der Bank of Japan Anfang 2016, ihre Bilanz zu kürzen, als eine Fallstudie. Sie weisen darauf hin, dass es Monate dauern kann, bevor die Anleger auf geringere Liquidität und geringeres Risiko reagieren.

"In einer Welt reichlicher Liquidität hätten die jüngsten EM-Entwicklungen einen viel geringeren Einfluss auf Preisschwankungen und lokale Liquidität", schrieben Hans Redeker, globaler Leiter Devisenstrategie bei Morgan Stanley, und Gek Teng Khoo am Dienstag in einem Bericht. "Was wir in den letzten Wochen in Schwellenländern erlebt haben, ist das Ergebnis der verschärften globalen Liquiditätsbedingungen."

Wird es diesmal anders?

Die Probleme in der Türkei könnten sinnbildlich für weitergehende Risiken sein, da sich die wichtigsten Zentralbanken von ihrer geldpolitischen Akkommodation entfernen, sagte Jim Reid, globaler Leiter Credit Strategy bei der Deutschen Bank.

"Finanzkrisen sind immer irgendwann in einem Straffungszyklus der Fed wahrscheinlich, besonders wenn eine Menge Geld in der Lockerungsphase des Zyklus hochverzinslichen Anlagen hinterherjagte", so Reid. "Die jüngsten Entwicklungen sind daher globalen Investoren bekannt, auch wenn immer die Hoffnung besteht, dass es diesmal anders ist."

(Bloomberg)