Das Fehlen von 1,9 Milliarden Euro aus der Wirecard-Bilanz führte zur Verhaftung des Konzernchfes, einem Insolvenzantrag des deutschen Zahlungsabwicklers und einer Menge Schuldzuweisungen. Einige richten sich gegen die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin, der Versäumnisse bei der Aufsicht angekreidet werden.

Als "ausgeklügelten" Betrug, den selbst eine sehr gründliche Untersuchung wohl nicht aufgedeckt hätte, bezeichnete der Wirtschaftsprüfer von Wirecard, Ernst & Young, den Vorfall.

Trotzdem steht nun auch EY in der Schusslinie. Das Unternehmen wurde am Dienstag auf die Liste der Beschuldigten in einer Sammelklage gegen Wirecard gesetzt. Ihm wird vorgeworfen, seine grundlegendsten Pflichten nicht erfüllt zu haben. Es sei ein systemisches Problem, mit dem nicht nur EY, sondern auch KPMG, Deloitte und PriceWaterhouseCoopers konfrontiert seien, sagt Atul Shah, Professor für Rechnungslegung und Finanzen an der City University of London.

«Kulturelles Problem»

"Nach dem Crash von 2008 wurde kaum ein Prüfer mit einer Geld- oder Haftstrafe belegt, weil er die Gesellschaft nicht gewarnt hatte", so Shah. "Danach wurde es schlimmer - der gemeinsame Faktor ist das kulturelle Problem."

Die "Grossen Vier" haben jeweils lukrative Beratungssegmente aufgebaut, mit denen sie McKinsey und anderen Unternehmen Konkurrenz machen, und die im Gegensatz zur Bilanzprüfung die Möglichkeit für Umsatzwachstum und Markenaufbau bieten. Die Aufsichtsbehörden argumentieren, dass dies zu einem Interessenkonflikt führe: Die Prüfer würden dazu verleitet, sich bei der Prüfung zurückzuhalten, um ihre Chancen auf Beratungsmandate nicht zu schmälern.

Wegen der Rolle von EY als Bilanzprüfer von Wirecard machen deutsche Politiker nun Druck auf die Aufsichtsbehörden und fordern - wie bereits ihre britischen Kollegen - eine Zerschlagung der Grossen Vier.

Sven Giegold, ein deutscher Abgeordneter im Europaparlament, hat dieses aufgefordert, eine Untersuchung zu Wirecard einzuleiten. Von der Europäischen Kommission verlangte er, dass sie ihre Prüfungsregeln überprüft. "Wir müssen die falschen Anreize für Abschlussprüfer beenden", sagte Giegold. "Prüfungsgesellschaften und Beratungsgeschäft müssen vollständig getrennt werden."

Reformforderungen aus Grossbritannien

In Grossbritannien, wo die Grossen Vier stark vertreten sind, fordern Kritiker bereits seit fast einem Jahrzehnt Reformen - aber mit wenig Erfolg. Das könnte daran liegen, dass der Einfluss der Unternehmen auf die Aufsichtsbehörden zu stark ist, um eine Zerschlagung möglich zu machen.

"Im Bereich Prüfungsregulierung gibt es nur wenige neutrale Stimmen", sagt Karthik Ramanna, Professor an der Universität Oxford und verweist auf ehemalige Wirtschaftsprüfer der Grossen Vier, die Funktionen bei den Aufsichtsbehörden übernommen haben. "Alumni gibt es zuhauf."

(Bloomberg)