Daniel Hügli, seit der Einstellung der Gratistageszeitung «cash daily» im April 2009 führt cash eine reine Onlinestrategie. Wie haben sich die Zugriffszahlen bei cash entwickelt?

Daniel Hügli: Sehr positiv. Die Zahlen sind vor allem in den letzten 18 Monaten deutlich gestiegen. Im letzten Jahr verzeichneten wir laut den Messungen von NetMetrix fast durchgehend über 400'000 Unique Clients pro Monat. Das ist die Anzahl unterschiedlicher Endgeräte, die auf eine Website zugreifen.

Und in diesem Jahr?

Seit Januar 2019 bewegen wir uns sogar um die Marke von 500'000 Unique Clients. Nur einmal zuvor hatten wir kurzzeitig höhere Zugriffszahlen: Anfang 2015, als die Nationalbank die Kursuntergrenze aufhob. Wir verzeichnen auch über 13 Millionen Page Impressions pro Monat. Das macht uns zum meist besuchten Finanzportal der Schweiz.

Worauf sind diese gestiegenen Zahlen zurückzuführen?

Wir haben eine äusserst treue Leserschaft, wofür wir sehr dankbar sind. Das gab und gibt uns schon mal eine gute Basis. Dazu kommt: Die Welt ist in den letzten zwei Jahren unberechenbarer, unruhiger und instabiler geworden. Man kann das durchaus auf den Einfluss von US-Präsident Donald Trump zurückführen. Diese Verunsicherung schlägt sich auf die Finanzmärkte nieder, und vor allem Anleger suchen in einer solchen Situation Aktualität, Analyse, Einordnung und Meinung. Kurz: Die Leser suchen unabhängige und relevante Informationen. Bei cash finden sie das.

Hat cash ein Erfolgsrezept?

Es mag banal sein: Wir schreiben in erster Linie über das, was die Leser interessant finden. Und nicht primär über das, was wir von der cash-Redaktion als wichtig erachten. Wir nehmen die Leser ernst.

Gibt es da ein Beispiel?

Wir haben festgestellt, dass das Leserinteresse für Themen wie Vorsorge und Immobilien über die letzten Jahre massiv zugenommen hat. Das hängt mit dem konstant tiefen Zinsumfeld zusammen, das den Leuten offensichtlich grosse Sorgen bereitet. Also haben wir uns vermehrt diesen Themen gewidmet und andere Sachverhalte weggelassen. Zuvor, in der Eurokrise ab 2010, liefen übrigens die Themen Griechenland, Gold oder Schweizer Franken heiss. Also haben wir damals die Berichterstattung über diese Bereiche ausgebaut. Der Franken ist sowieso ein Dauerbrenner bei uns. In diesem Zusammenhang erwähne ich auch die Kryptowährungen und Blockchain. Auch da bleiben wir dran.

Und die Börse?

Sie bildet den Kern unserer Berichterstattung. Das ist auch historisch gewachsen. Das Verlagshaus Ringier, das die Wochenzeitung "Cash" 1989 lancierte, beteiligte sich vor 20 Jahren an der Finanz-Website borsalino.ch und integrierte diese später in cash.ch. Unser Portal ist und bleibt die erste Anlaufstelle für Börseninteressierte. Seit sieben Jahren kann man überdies direkt aus cash.ch Aktien, Fonds und Exchange Traded Funds handeln. Die Zusammenarbeit mit der bank zweiplus ermöglicht dies.

Wie setzt sich die Leserschaft von cash zusammen?

Es ist ein eher reiferes, gebildetes, zur Mehrheit männliches und natürlich geldaffines Publikum, das überdurchschnittlich finanzstark ist und zur grossen Mehrheit aus der Schweiz stammt. Und es ist nicht so, dass wir zum Beispiel nur Privatanleger als Leser haben. Ein ansehnlicher Teil findet sich im institutionellen Bereich. cash-Leser haben übrigens auch eine überdurchschnittliche Affinität für nationale und internationale Politik, für Trends bei Computer und Technologie oder Autos.

Gab es prägende Erlebnisse in den zehn Jahren als Chefredaktor?

Das Stichwort ist vorher schon gefallen. Der 15. Januar 2015, als die Nationalbank Knall auf Fall den Mindestkurs zum Euro aufhob. Wohl alle, die in der Finanzbranche beschäftigt sind, wissen noch genau, was sie an diesem Tag gemacht haben. Ich selber befand mich in einem Gespräch mit einem Job-Bewerber und nahm das Smartphone nicht mit, um ungestört bleiben zu können. Als ich kurz nach dem SNB-Entscheid in den Newsroom zurückkam, war bereits die Hölle los. Unsere Server brachen zusammen. Sie waren den massenhaften Zugriffen auf das Portal nicht gewachsen.

Wie reagiert man als Chefredaktor in einer solchen Situation?

Wohl nicht anders als ein Anlagechef. Emotionen kontrollieren, Situation kurz analysieren, erste Aufgaben verteilen, Sitzung einberufen, nochmals Aufgaben verteilen. Prägend und schwierig waren und sind auch Todesfälle und Selbstmorde von Leuten, über die man als Journalist schreibt und die man kennt. Da muss man extrem aufpassen, dass in der Berichterstattung und in der Kommentierung der richtige Ton gefunden wird.

Was darf man in Zukunft von cash erwarten?

Vorausschicken möchte ich, dass sich ein Onlineportal in konstantem Wandel befindet. Insofern geschehen fortlaufend neue Dinge, die den Portalbesuchern gar nicht gross auffallen. Das macht unsere Arbeit auch extrem spannend. cash ist seit Anfang Jahr Teil des grössten Wirtschaftsmediennetzes der Schweiz, zusammen mit handelszeitung.ch und bilanz.ch. Da entsteht ein gewaltiges Pooling von Wissen, das ganz neue Möglichkeiten und Angebote für uns und die Leser geben wird. Und wir werden bei cash die Börsenberichterstattung intensivieren.