EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness kündigte bis Ende kommenden Jahres einen Vorschlag zu einer Reform der Unternehmensbilanzierung und deren Überprüfung an. "Wirecard ist ein Weckruf. Wirecard hat den Leuten eine Geschichte erzählt und verkauft, die nicht wahr war", sagte die Irin in einer Rede vor dem "European Policy Centre". McGuinness will an drei Stellschrauben drehen: an den internen Prüfungsausschüssen, an den externen Wirtschaftsprüfern und an deren Aufsichtsbehörden. Nach der Sommerpause solle eine öffentliche Konsultation dazu beginnen. Es gehe darum, die Qualität der Bilanzierung börsennotierter Unternehmen zu verbessern - und darum, das auch durchzusetzen.

Der bis in den Leitindex Dax aufgerückte bayerische Zahlungsabwickler Wirecard hatte im Juni 2020 einräumen müssen, dass in seiner Bilanz 1,9 Milliarden Euro fehlten, die angeblich auf Treuhandkonten in Asien lagen. Die Wirtschaftsprüfer von EY hatten die Bilanzen von Wirecard jahrelang testiert. Weder die Finanzaufsicht BaFin noch die Wirtschaftsprüfungs-Aufsicht Apas hatten schnell genug auf jahrelange Gerüchte und Berichte über Unregelmäßigkeiten reagiert. Insolvenzverwalter Michael Jaffe geht davon aus, dass die 1,9 Milliarden Euro nie existiert haben.

Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages arbeitet derzeit die Versäumnisse von Behörden und Wirtschaftsprüfern auf. Die Bundesregierung will die Fristen verkürzen, innerhalb der die Unternehmen ihre Abschlussprüfer wechseln müssen. Eine EU-weite Reform der Wirtschaftsprüfung war 2016 in verwässerter Form umgesetzt worden. McGuinness sagte, die EU müsse "mehr tun und entschiedener handeln", um ausreichend Wettbewerb unter den Wirtschaftsprüfern zu gewährleisten. Die "großen Vier", KPMG, Deloitte, EY und PwC kommen zusammen auf 92 Prozent Marktanteil. Qualitätsmängel in der Prüfung könnten auch daher rühren, dass sie sich auf lukrativere Beratungsmandate konzentrierten, sagte die Kommissarin.

Die Wirtschaftsprüfer-Aufsichtsbehörden in ganz Europa hätten Probleme mit internen Qualitätskontrollen ausgemacht, auch bei Unternehmenseinheiten, die als hochriskant eingestuft würden. Die Finanzmarktkommissarin will nun untersuchen lassen, ob die Verantwortung von Aufsichtsräten und Vorständen für die Richtigkeit der Bilanzen klar genug geregelt ist. Dabei könne die Einrichtung von Prüfungsausschüssen vorgeschrieben werden. Ein solches Gremium hatte es im Wirecard-Aufsichtsrat bis kurz vor der Pleite nicht gegeben. 

(Reuters)