Die Pandemie fordere auch die Währungshüter, um die Märkte liquide zu halten, sagte Jürgen Stark, der frühere deutsche Chefvolkswirt der EZB, der Zeitung "Die Welt". "Aber nicht notwendigerweise, um die Refinanzierungskosten der Staaten so dramatisch zu senken, dass Risiken durch die Folgen der stark gestiegenen Verschuldung nicht mehr sichtbar werden." Die niedrigen Zinsen verschleierten die Risiken.

Wenn etwa Griechenland sich günstiger verschulden könne als die USA, zeige dies, dass man hier zu weit gegangen sei, sagte Stark. Es sei ein Anreiz für schon hoch verschuldete Regierungen, sich noch mehr zu verschulden. "Dabei waren die Staatsfinanzen in vielen Ländern schon vor der Krise nur bedingt tragfähig." Stark war 2006 bis Ende 2011 Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank. Wegen Differenzen über die Geldpolitik hatte er Ende 2011 seinen Rücktritt erklärt.

Solidarität und Eigenverantwortung beibehalten

Die jüngsten Vorschläge aus Italien, im Kampf gegen die Corona-Krise aufgenommenen Staatsschulden zu streichen, sieht Stark kritisch. Zwar verlange die Pandemie Solidarität und sogar Risikoteilung unter den EU-Ländern. "Das darf aber nicht Anlass sein, die EU und die Wirtschafts- und Währungsunion dauerhaft in diese Richtung umzubauen."

Aus seiner Sicht würden damit entscheidende Prinzipien der Solidarität und Stabilität mit Eigenverantwortung und Haftung der Mitgliedstaaten aufgegeben. "Dies würde nicht nur zu erheblichen Akzeptanzproblemen in den nördlichen Staaten führen, sondern zu neuen Konflikten und zur tieferen Spaltung Europas," warnte er. 

(Reuters)