Selenskyj teilte am späten Montagabend auf der Plattform X mit, dass er eingetroffen sei. «Angesichts von Russlands Luftterror werden dringende Lösungen für den ukrainischen Energiesektor unsere Toppriorität sein», schrieb der Präsident.
2000 Teilnehmer aus 60 Ländern
Zu der Wiederaufbaukonferenz werden etwa 2000 Vertreter aus etwa 60 Ländern erwartet. Es ist keine Geberkonferenz, bei der Geld für den Wiederaufbau gesammelt werden soll, sondern es geht vielmehr um die Vernetzung der relevanten Akteure aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen. Ziel ist es Initiativen zur Unternehmensförderung oder Fachkräfteausbildung auf den Weg zu bringen.
«Diese Konferenz zeigt, dass ein starkes Bündnis hinter der Ukraine steht», sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Es sei auch unter Kriegsbedingungen schon wichtig, den Wiederaufbau anzugehen.
Schulze sagte: «Die Ukraine hat keine Wahl. Sie kann nicht warten, bis der Krieg endet. Die Menschen brauchen jetzt ein Dach über dem Kopf, Strom, Wasser und Krankenhäuser.» Das Land brauche auch die zivile Unterstützung, um in dem Krieg bestehen zu können.
Das Treffen findet auf dem Berliner Messe-Gelände statt. Zu Ehren der Ukraine wurde der dortige Funkturm, ein 147 Meter hohes Wahrzeichen der Hauptstadt, in der Nacht zu Dienstag in den Landesfarben Blau und Gelb angestrahlt. Am Dienstag- und Mittwochabend soll zusätzlich auch der Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz jeweils bis 24 Uhr in den Farben der Ukraine erstrahlen.
Wiedersehen im Bundestag - diesmal live
Selenskyj teilte zu seinem Besuch mit, es seien auch Gespräche mit Scholz geplant. Mit dem Kanzler wolle er über die weitere Unterstützung bei der Verteidigung, über den Ausbau der ukrainischen Flugabwehr und die gemeinsame Waffenproduktion sprechen. Vor der am 15. und 16. Juni in der Schweiz geplanten Friedenskonferenz sollten auch Positionen abgestimmt werden. Geplant seien zudem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Besuchen will Selenskyj auch einen Militärstützpunkt, auf dem ukrainische Soldaten ausgebildet werden.
Im Bundestag hatte Selenskyj bereits am 17. März 2022, drei Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, zu den Abgeordneten gesprochen. Damals wurde er aber per Video live in den Plenarsaal zugeschaltet und flehte den Bundeskanzler geradezu um mehr militärische Unterstützung an: «Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, reissen Sie diese Mauer nieder. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient.»
Deutschland zweitwichtigster Unterstützer der Ukraine
Inzwischen ist Deutschland der zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine nach den USA, was die militärische und finanzielle Hilfe angeht. Kanzler Scholz lässt dennoch weiter Wünsche der Ukraine offen. So will er keine Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern liefern und ist anders als der französische Präsident Emmanuel Macron strikt dagegen, Nato-Soldaten in die Ukraine zu schicken. Macron hatte in der vergangenen Woche angekündigt, zusammen mit anderen Ländern Militärausbilder in das Kriegsgebiet entsenden zu wollen.
Neben Deutschland wollen sich auch die USA nicht beteiligen. Scholz hatte sich am Samstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Duisburg auch dagegen ausgesprochen, dass andere Nato-Länder Soldaten in die Ukraine schicken. «Es wird von unseren Ländern keine Soldaten in der Ukraine geben und auch nicht von der Nato», sagte er.
Auftakt einer Gipfel-Serie
Die Konferenz ist Auftakt einer ganzen Serie von Gipfeln, die sich mit der Ukraine befassen. Nach der Wiederaufbaukonferenz findet der G7-Gipfel im süditalienischen Apulien statt. Dabei wird es unter anderem darum gehen, wie eingefrorenes russisches Vermögen zur Unterstützung der Ukraine genutzt werden kann.
Anschliessend geht es für Scholz und auch Selenskyj weiter zur Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, zu der sich nach Angaben der Regierung in Bern bislang rund 40 Staats- und Regierungschefs angemeldet haben. Eingeladen waren rund 160. Weitere gut 40 Staaten sollen mit anderen hohen Regierungsvertretern dabei sein.
Es ist zwar das erste derartig hochrangige internationale Treffen zum Thema Frieden in der Ukraine, aber es geht nicht um Friedensverhandlungen. Russland, das die Ukraine im Februar 2022 überfallen hat, ist nicht dabei. Länder wie China und andere, die Russland nahestehen, haben die Einladung deshalb ausgeschlagen. Moskau hat das Treffen als westliche Propagandaveranstaltung zur Unterstützung der Ukraine abgetan.
Rheinmetall und Ukraine eröffnen Panzer-Reparaturbetrieb
Derweil eröffneten der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall und die Ukraine nach Angaben aus Kiew einen ersten gemeinsamen Panzer-Reparaturbetrieb und eine Produktionsstätte. Es seien die Schlüssel zur Werkstatt für die Reparatur und Wartung des Schützenpanzers Marder übergeben worden, teilte das ukrainische Ministerium für strategische Industriezweige in Kiew mit. «Die Eröffnung einer gemeinsamen Produktionsstätte mit Rheinmetall ist nicht nur ein Schritt zum Sieg der Ukraine, sondern auch eine wichtige Etappe beim Aufbau des Arsenals der freien Welt», sagte Minister Olexandr Kamyschin einer Mitteilung zufolge./mfi/DP/stk
(AWP)