Im Vorfeld des diesjährigen Investorentages von ABB liefen die Erwartungen rückblickend etwas gar aus dem Ruder. So wurde neben einem Ausbau des Aktienrückkaufprogramms unter anderem auch auf eine strategische Neuausrichtung sowie auf Bereichsverkäufe spekuliert. Doch davon will der in Zürich beheimatete Industriekonzern trotz Auftragsflaute in den Absatzmärkten auch weiterhin nichts wissen. Anpassungen in der Organisationsstruktur und zusätzliche Kosteneinsparmassnahmen sollen es richten.

Gleichzeitig sieht sich das Unternehmen bei den erst vor Jahresfrist kommunizierten Mittelfristzielen zu Anpassungen gezwungen. Neu wird ein Umsatzwachstum von 3 bis 6 Prozent von zuvor 4 bis 7 Prozent angestrebt.

Nach dem von Aufspaltungsspekulationen begleiteten Kursfeuerwerk vom Vortag wird die ABB-Aktie an der Schweizer Börse SIX dennoch von Anschlusskäufen erfasst. Nach einem Tageshöchstkurs von 19,02 Franken im frühen Handel gewinnt sie zur Stunde noch 0,9 Prozent auf 18,70 Franken. Händler berichten von vereinzelten Deckungskäufen aus dem Ausland.

Konsensschätzungen noch immer zu hoch

Der für die UBS Investmentbank tätige Analyst begrüsst zwar sowohl die organisatorischen Veränderungen als auch die zusätzlich geplanten Kosteneinsparungen. Allerdings ändere sich dadurch nicht viel an der Gesamtsumme des Werts einzelner Unternehmensbereiche, welchen er in der Region von 18 Franken je Aktie ansiedelt.

Was die neuen Mittelfristziele anbetrifft, so erachtet der Analyst seine eigenen Schätzungen für den operativen Gewinn in der Mitte der jeweiligen Bandbreiten als um bis zu 13 Prozent zu hoch angesetzt. Er hält deshalb sowohl an seiner Verkaufsempfehlung als auch am 18 Franken lautenden 12-Monats-Kursziel fest.

Unternehmen unter Druck aus dem Aktionariat

Deutlich konstruktiver ist der Berufskollege von der Bank Vontobel. Er zeigt sich wenig überrascht, was die Reduktion der vor Jahresfrist implementierten Mittelfristziele anbetrifft. Dank der strikten Kostendisziplin und der unterschätzten Aussichten im Automationsgeschäft stuft er die Aktie mit "Kaufen" und einem Kursziel von 24 Franken ein. Vermutlich muss man aber auch bei der Zürcher Bank Gewinnschätzungsreduktionen vornehmen.

Für die Experten von Baader Helvea steht fest: ABB steht unter einem gewaltigen Druck aus dem Aktionariat. Es sei daher ermutigend zu sehen, dass das Unternehmen das Stromübertragungsgeschäft in eine eigene Division auslagert und strategische Alternativen für diese prüfe. Negativ wird ABB hingegen die forschere Gangart bei Firmenübernahmen ausgelegt. Die Aktie wird bei Baader Helvea weiterhin mit einem Kursziel von 17,50 Franken zum Verkauf empfohlen.

Was nicht ist, kann noch werden

In angelsächsischen Analystenkreisen fallen die Kommentare nicht ganz so harsch aus. Bei Morgen Stanley zeigt man sich erfreut über den Transfer von Geschäftsaktivitäten in die Stromübertragungs-Division, welche neu für 35 Prozent des Konzernumsatzes verantwortlich sei. Früher oder später könnte diese Division verkauft oder abgespaltet werden, so heisst es. Die Kollegen von Merrill Lynch begrüssen hingegen die schlankere zukünftige Organisationsstruktur. Um die leicht angepassten neuen Mittelfristziele erreichen zu können, müsse das Unternehmen bei den geplanten Kosteneinsparungen und dem Abbau beim Umlaufvermögen Wort halten. Beide Banken stufen die Aktie von ABB wie bis anhin neutral ein.