Viele Eigenheimbesitzer stellen sich die Frage, ob nach der Abschaffung des Eigenmietwerts eine Amortisation der Hypothek sinnvoll ist. Mit dem Systemwechsel, der voraussichtlich 2028 umgesetzt wird, fällt auf der einen Seite der Eigenmietwert weg und auf der anderen Seite können in vielen Fällen die bezahlten Hypothekarzinsen nicht mehr abgezogen werden. Den Aspekten Liquidität, Höhe des Hypothekarzinses, Risikotoleranz und Grenzsteuersatz kommt in Zukunft mehr Bedeutung zu.   

Die gute Nachricht vorneweg: Die Steuerbelastung für Eigenheimbesitzer sollte nach der Abschaffung des Eigenmietwerts in der Regel sinken. Wer zum Beispiel eine Wohnung im Kanton Zürich mit einem Wert von einer Million Franken besitzt und eine 65-prozentige Hypothek mit einem Finanzierungssatz von 1,5 Prozent ausstehend hat, kann je nach Einkommenshöhe von einer um 3'000 bis 5'000 Franken tieferen Steuerrechnung ausgehen.

Dies hängt einerseits mit den tiefen Refinanzierungskosten zusammen, andererseits mit dem sogenannten Grenzsteuersatz. Dieser beschreibt die prozentuale Veränderung der Steuerlast im Verhältnis zur entsprechenden Veränderung der Steuerbemessungsgrundlage. Im Falle des oben erwähnten Rechnungsbeispiels fällt das steuerbare Einkommen, weil der steuerbare Eigenmietwert inklusive Wegfall der Unterhaltskostenpauschale höher ist als die Anrechnung der Zinszahlungen für die Hypothek. 

Blick auf die Höhe des Hypothekarzinses

Für Giampiero Brundia, Geschäftsführer von Oxifina, gibt es keine Einschränkungen, was die Höhe der Amortisation anbelangt. «Wer in der Lage ist, soll die Hypothek ganz zurückzahlen, wenn die Rendite der Geldanlage nach Steuern unter dem Hypothekarzinssatz liegt. Wichtig ist aber, dass genügend Liquiditätsreserve für Unvorhergesehenes vorhanden bleibt.»

Der wichtigste Grund zum Amortisieren ist die Reduktion der Zinskosten, erläutert Claudio Saputelli, CIO Global Real Estate bei UBS Global Wealth Management. «Insbesondere bei einem höheren Zinssatz kann die Rückzahlung sinnvoll sein - denn die höheren Zinskosten sind entsprechend deutlich spürbar.»

Die Zinshöhe spielt auch bei einem zweiten Punkt eine Rolle. Wenn die Zinsen aktuell steigen, erhöht dies zwar die Finanzierungskosten, aber da die Schuldzinsen vorerst noch vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können, sinkt die Steuerbelastung entsprechend. Im neuen System trägt bei steigenden Zinsen der Hauseigentümer künftig das Risiko, weil er nicht mehr von einem höheren Abzug profitieren kann. «Mit der Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Hypothekarzinsen wird somit die tragfähige Schuldhöhe kleiner ausfallen, da mit dem Wechsel die Zinslast über die Steuern nicht mehr abgefedert werden kann. Das ist etwas, das man im Hinterkopf behalten muss», erklärt der UBS-Experte weiter. 

Sorge zur Liquidität tragen

Bei der Amortisation ist zudem die Frage der Liquidität zu berücksichtigen, erklärt auch Florian Schubiger, Geschäftsführer von hypotheke.ch. Dies gilt vor allem für ältere Immobilieneigentümer. Diese sollten berücksichtigen, dass sie auch noch Geld zum Leben brauchten. Im Alter sollte nicht das ganze Vermögen in der Immobilie stecken, erklärt Schubiger auf Anfrage von cash.ch.

Dabei sollten alle Altersgruppen die Liquidität im Auge behalten - dies gilt vor allem für Immobilienbesitzer, die nicht in einem neu gebauten Einfamilienhaus oder Stockwerkeigentum wohnen. Mit dem Wegfall des Eigenmietwerts fallen die Steuerabzüge für Renovation und Unterhalt weg, entsprechend müssen genügend Rückstellungen gebildet werden. Die Höhe kann je nach Objekt zwischen einem und drei Prozent betragen. 

Je nach persönlicher Lebenssituation sollte genau überlegt werden, wo die Hypothekarverschuldung nach der Abschaffung des Eigenmietwerts zu stehen kommen soll. Wer bereits im Rentenalter ist oder kurz davor steht, über ausreichend Liquidität auf dem Bank- oder Sparkonto verfügt, ist weiterhin gut beraten, die Hypothekarverschuldung auf tiefes Niveau zurückzuführen. Dies gilt besonders für Hypothekarnehmer, die eine Verschuldung - egal in welcher Höhe - als psychische Belastung empfinden. 

Personen, welche für den Immobilienkauf auf die Pensionskasse zurückgegriffen haben, sind gut beraten, die Steuerersparnis entweder in die Amortisation zu investieren, das Geld in die Pensionskasse zurückzuführen oder in Finanzmarktanlagen zu investieren. Welche der drei Varianten gewählt wird, hängt von den persönlichen Umständen und der Risikopräferenz ab. 

Wer innert der nächsten zehn Jahre in Pension geht, dürfte mit einer Aufstockung bei allfälligen Lücken in der Pensionskasse besser beraten sein als mit einer zusätzlichen Amortisation der Hypothek. Dies gilt ebenfalls für Eigentümer, welche zwanzig Jahre vor der Pension stehen. Derzeit weisen Pensionskassen eine durchschnittliche Rendite von 3,4 Prozent aus. Diese liegt damit deutlich über den Kosten einer zehnjährigen Festhypothek von 1,5 Prozent, meint Brundia von Oxifina. Noch attraktiver kann es hierbei sein, die Gelder langfristig in eine Säule-3a-Lösung zu investieren. Mit einem hohen Aktienanteil konnte in der Vergangenheit eine annualisierte Rendite von bis zu 6 Prozent erzielt werden. 

Das Anlegen der Mittel in Aktienfonds oder ähnlichen Anlagen ist aber nicht für alle Immobilienbesitzer geeignet. Wer wegen der Schwankungsanfälligkeit unsicher ist, sollte den Hypothekarkredit schneller zurückzahlen oder die Liquidität in einem Obligationenfonds anlegen, der in der Tendenz geringeren Wertschwankungen unterliegt.  

Richtwert für die Höhe der Hypothekarverschuldung

Viele Eigenheimbesitzer orientierten sich in der Vergangenheit an der Höhe der Hypothekarverschuldung. Das hat sich bewährt. Mit dem Regimewechsel rücken nun die finanzielle Gesamtsituation, die Zinshöhe, die Risikotoleranz unter Berücksichtigung der Liquiditätssituation und die Besteuerung des Einkommens in den Vordergrund.

So kann ein Verschuldungsgrad von 50 Prozent bei der Hypothek im Verhältnis zu den sonstigen Vermögenswerten Pensionskasse, Säule 3a und Anlagen wie Aktien und Obligationen zu tief sein, weil dem Wert des Wohneigentums ein überdurchschnittliches Gewicht beim Gesamtvermögen zukommt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Wert des Wohneigentums eine Million Franken beträgt, die Hypothekarbelastung bei 500'000 Franken steht - sprich 50-prozentige Verschuldungsquote - und 100'000 Franken in Aktien, Obligationen angelegt sind. In diesem Falle drängt sich keine weitere Amortisation auf, da mehr als 80 Prozent des Vermögens in der Immobilie gebunden sind. Ferner gilt es zu beachten, dass die Erhöhung einer einmal zurückbezahlten Hypothek oder Tranche kein einfaches Unterfangen ist. 

Ein weiterer Punkt: Wer dank der potenziellen Einsparung nun zusätzliche Ferien plant, sollte dies gründlich überdenken und zuerst ein längerfristiges Budget erarbeiten. Nur so lässt sich abschätzen, ob tatsächlich mehr freie Mittel vorhanden sein werden. Es kann nämlich auch sein, dass die Ersparnis aus der Abschaffung des Eigenmietwerts besser zur Seite gelegt wird für Renovation und Unterhalt, da diese Auslagen in Zukunft nicht mehr von den Steuern abgezogen werden können. 

Thomas Daniel Marti
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