Seit Wochen scheint es an den Aktienmärkten kein Halten mehr zu geben. Während zu Beginn der Corona-Erholungs-Rally vor allem Krisenprofiteure - namentlich Lonza oder Roche - den Markt nach oben trieben, hat zuletzt der breite Markt nachgezogen. Sogar Titel aus der derzeit besonders riskant angesehen Reisebranche sind im Aufwind.

Was hat diese Rally der (vermeintlichen) Corona-Verlierer zu bedeuten? Steckt dahinter mehr als nur ein kurzes Strohfeuer? cash hat fünf Aktien genauer unter die Lupe genommen und sagt, ob sich für Anleger ein Einstieg jetzt noch lohnt.

Dufry - Comeback des grössten Verlierers

Der Reise-Detailhändler Dufry ist am Schweizer Aktienmarkt einer der grössten Leidtragenden der Corona-Krise. Dufry macht den Grossteil des Geschäfts an Flughäfen und büsste deswegen im April sage und schreibe 94 Prozent seines Umsatzes ein. Angesichts dieser Horrorzahl ist es erstaunlich, wie gut Dufry in Sachen Liquidität dasteht. Laut ZKB-Analysten kann das Unternehmen den Betrieb bis mindestens Mitte 2021 aufrechterhalten. Möglich macht das eine Aktienkapitalerhöhung, die Ausgabe einer Wandelanleihe sowie der Verzicht auf die Dividende.

Kursentwicklung der Dufry-Aktie seit Anfang Jahr, Quelle: cash.ch.

Die Aktie stürzte nach dem Corona-Schock von knapp 90 Franken zunächst auf 20 Franken ab. Doch in den letzten Wochen arbeite sie sich dank der Aussicht auf eine vorsichtige Normalisierung im Reiseverkehr wieder bis auf 38 Franken hoch. Angesichts der Solidität des Unternehmens scheint der Anstieg durchaus begründbar. Das Unternehmen ist trotz des dramatischen Umsatzrückgangs immer noch solide aufgestellt. Die Bank Vontobel sieht Dufry bestens gerüstet, um von einer "Erholung des Reiseverkehrs ab 2021 profitieren zu können".

Wegen der starken Rally wäre es nicht verwunderlich, wenn die Aktie kurzfristig erstmal eine Verschnaufpause hinlegen würde. Langfristig ist die Aktie weiterhin ein Kauf.

LM Group - Weniger Fixkosten 

Der Flugreise-Vermittler LM Group (ehemals lastminute.com) verlor während der Corona-Krise mehr als zwei Drittel seines Börsenwerts. Doch Ende Mai schaltete die Aktie ein klein wenig in den Turbomodus. Fast 60 Prozent legten die Titel seitdem zu. Ebenso wie Dufry profitiert auch LM Group von einer absehbaren Erholung im Reiseverkehr. Auch wenn die Aufholjagd ein wenig schnell scheint, ist sie durchaus gerechtfertigt.

Kursentwicklung der LM-Group-Aktie seit Anfang Jahr, Quelle: cash.ch.

Denn Online-Reisevermittler haben gegenüber anderen Reise-Titeln wie etwa Fluglinien einen enormen Vorteil: Sie arbeiten mit minimalen Fixkosten. Sie haben kaum Mieten zu zahlen und weniger Mitarbeiter zu entlohnen. Kein anderes Segment kann die Krise besser aussitzen. Vor Corona verzeichnete der Kurs der LM-Group-Aktie einen steilen Aufstieg. Die Aktie hat trotz jüngster Rally noch weiteres Aufholpotenzial.

Swiss Re - leichte Erholung, Ausblick unsicher

Während der Corona-Krise sind auch die Versicherer ordentlich unter die Räder gekommen. Kein Wunder, müssen die doch für einen Teil der wirtschaftlichen Schäden aufkommen. Besonders hart getroffen hat es dabei Swiss Re. Der Rückversicherer ist bisher der schlechteste SMI-Performer in diesem Jahr. Doch in der letzten Handelswoche konnten die Titel um rund 18 Prozent zulegen.

Die kleine Aufholrally dürfte in der durchaus etwas überzogenen Abstrafung begründet liegen. So hat sich etwa in der Sparte der Lebensversicherungen die Coronavirus-Pandemie bislang nur wenig auf den Gewinn ausgewirkt. Doch die Problemsparten Industrieversicherung und Policenabwicklung sind weiterhin Bremsklötze.

Hinzu kommt: In den USA steht die Hurricane-Saison vor der Tür. Diese könnte für Schweizer Rückversicherer dieses Jahr zum besonders grossen Kostenpunkt werden. Der Nationale Wetterdienst der USA schätzt die Wahrscheinlichkeit einer überdurchschnittlichen Hurricane-Saison als hoch ein. Die Swiss-Re-Aktie dürfte es trotz des jüngsten Höhenflugs in diesem Jahr weiterhin schwer haben. Abwarten heisst die Devise.

Aryzta - Aktionärsgruppe sorgt für Wirbel

Der Weltmarktführer für tiefgefrorene Spezialitätenbackwaren leidet seit Jahren unter den Folgen seiner gescheiterten Expansionsstrategie. Durch diese hat das Unternehmen einen riesigen Schuldenberg angehäuft. Der ohnehin arg gebeutelten Aktie wurde durch die Corona-Krise ein weiterer Tiefschlag versetzt - rund 75 Prozent ging es zwischenzeitlich nach unten. Doch in den letzten Wochen befinden sich auch die Aryzta-Titel im Aufwind.

Grund ist der Einstieg des aktivistischen Investors Veraison. Dieser hält nun 7 Prozent des Unternehmens und hat sich überdies mit dem langjährigen spanischen Grossaktionär Cobas zu einer Aktionärsgruppe mit insgesamt gut 18 Prozent der Stimmen zusammengeschlossen. Veraison-Gründer Gregor Greber sagte jüngst, dass der aktuelle Aktienkurs nicht den fundamentalen Wert des Unternehmens reflektiere.

Auch wenn der wachsende Druck der erstarkten Aktionärsgruppe dem Unternehmen langfristig nur guttun kann, sollten Anleger nicht vorschnell in Euphorie verfallen. Die zahlreichen Baustellen lösen sich nicht automatisch auf. Bei Aryzta ist weiterhin viel Geduld gefragt.

Kudelski - Kursfeuerwerk nur ein Strohfeuer? 

Nachdem sich der Börsenwert des Sicherheitsspezialisten aus der Westschweiz während der Corona-Krise zwischenzeitlich halbiert hatte, zündete die Aktie Anfang letzter Woche ein regelrechtes Kursfeuerwerk. Rund 36 Prozent ging es zwischenzeitlich in die Höhe. Grund war die Nachricht, dass Kudelski weitere Sicherheitsservices für Microsoft 365 und Azure lanciert.  Am Donnerstag und Freitag ging es allerding schon wieder leicht runter mit dem Kurs.

Es scheint sich zu wiederholen, was man im November 2019 schon beobachten konnte. Schon damals zog Kudelski einen Auftrag von Microsoft an Land, was die Aktie zeitweise um 15 Prozent ansteigen liess – doch innerhalb einer Woche büsste die Aktie den Gewinn wieder ein. Das grundsätzliche Problem: Sinkende Umsätze sowie Kosten für das laufende Restrukturierungsprogramm belasten die Bilanz des Unternehmens.

Kudelski ist viel zu spät in das IT-Sicherheitsgeschäft eingestiegen, welches vielerorts zunehmend gesättigt scheint. Anleger sollten nach dem Kurssprung von letzter Woche bis auf Weiteres nicht auf weitere Kursschübe hoffen. Die Aktie zeigt schliesslich seit Mitte 2016 nach unten.