In der letzten Woche verlor der Swiss Market Index (SMI) und andere grosse Leitindizes wie der Dow Jones rund 12 Prozent. Seit den Börsenhöchsständen im Januar hat sich die globale Marktkapitalisierung an den Aktienmärkten um gut 6 Billionen Dollar reduziert. Die amerikanische Notenbank Fed reagierte am Dienstag mit einer als panikartig empfundenen Zinssenkung von 50 Basispunkten. Seither springen die Märkte wild herum.

Ist der Aktien-Ausverkauf der Startschuss für einen Bärenmarkt? Von einem Bärenmarkt spricht man gemeinhin, wenn die Kurse über einen längeren Zeitraum mehr als 20 Prozent vom vorher erreicheten Hoch fallen. Das Vertrauen der Anleger in den Markt ist dann angeschlagen. Und: Es werden dann künftige Verluste erwartet. Vom im Januar erreichten Höchststand sind die wichtigsten Indizes schon 10 Prozent entfernt. Der "Fear & Greed Index" des Fernsehsenders CNN deutet ebenfalls auf eine starke Angst vor weiteren Kursverlusten im Markt hin. Er liegt momentan bei 10 auf der Skala von 1 bis 100.

Matt Maley, Aktienstratege bei Miller Tabak meint, dass der Zinsentscheid der Fed vom Dienstag kurzfristig positiv für die Märkte sei. Doch "wenn das Coronavirus bewirkt, dass der Markt in den kommenden Wochen zurückkommt, wird es bedeuten, dass wir auf einen Bärenmarkt zusteuern."

Auch der polarisierende Peter Schiff meldet sich nach der überraschenden Fed-Zinssenkung wieder mal zu Wort. Der Chefstratege von Euro Pacific Capital sieht die Aktienmarktblase platzen. Sein Wort hat insofern Gewicht, als er den Kollaps des Immobilienmarktes 2008 vorhersah. 

Volatilität wird hoch bleiben

Christoph Sax, Chefökonom bei der Migros Bank, sieht nicht dermassen schwarz: "Wir sehen für die weitere Entwicklung der Börsen eine Seitwärtsbewegung mit starken Kursschwankungen", wie er auf Anfrage von cash sagt. Zwischenzeitlich seien auch viel tiefere Niveaus sehr wahrscheinlich. Er denkt aber nicht, dass die Korrektur in einem Bärenmarkt münden wird.

Die bescheidene Marktreaktion auf den Fed-Entscheid ist laut Sax aber nachvollziehbar. "Die Investitionstätigkeit der Unternehmen und das Konsumentenklima werden sich erst erholen, wenn absehbar ist, dass die Virusepidemie abklingt." Daran könne eine Notenbank nichts ändern. Die Zinssenkung sei ein proaktiver Schritt gewesen, um die Finanzierungsbedingungen zu lockern.

Trotzdem: "In den nächsten Wochen müssen wir uns darauf ausrichten, dass sich das Virus weiter ausbreitet. Die grosse Gefahr für die Märkte ist, wenn sich das Virus in den USA grossflächig ausbreitet." Auf den Horizont von sechs bis zwölf Monaten sollten sich die Märkte vom Einbruch wieder erholen, so Sax.

Die nächsten vier bis fünf Wochen sind entscheidend

Daniel Egger, Chefstratege bei der Falcon Private Bank, schätzt das Risiko für einen Bärenmarkt als hoch ein und verweist auf den Volatilitätsindex VIX der US-Börse. "Das Intraday-Hoch vom vergangenen Freitag lag etwa auf dem Niveau der vier VIX-Ausschläge in den letzten zehn Jahre." Nur in der Finanzkrise 2008 sei der VIX fast doppelt so hoch gewesen (links in Chart unten).

Entwicklung des VIX-Index seit 2008 (Quelle: Bloomberg).

Für Egger hängt nun vieles davon ab, wie sich die Pandemie entwickeln wird. Die entscheidende Frage sei: Ist in vier bis fünf Wochen alles durch oder wird sich die Einschränkung des Welthandels noch über Monate hinziehen? "Im letzteren Fall muss eine Rezession als unvermeidlich betrachtet werden, womit die Aktiengewinne einbrechen und ein Bärenmarkt die sichere Folge ist." Das Sentiment am Markt sei stark negativ, aber noch nicht auf einem Allzeittief. Dies spreche dafür, dass das Schlimmste noch nicht vorbei sei.

Erholung bis zum Ende des zweiten Quartals

Aktienstratege Cédric Spahr von der Bank J. Safra Sarasin beurteilt die momentane Situation als durchzogen. "Wir haben einen relativ steilen Absturz zwischen Ende Februar und Anfang März durchgemacht. Damit sind schon zahlreiche negative Nachrichten und Erwartungen in den momentanen Kursen enthalten." Eine Gegenbewegung gegen oben sei jedoch auf kurze Frist nicht garantiert.

Spahr fügt an, dass die westlichen Länder in den kommenden Wochen noch Massnahmen gegen das Coronavirus ergreifen könnten, was die Marktstimmung zusätzlich belasten würde. "Wir sind vorsichtig bis Ende März beziehungsweise Anfang April. Mit wärmerem Wetter sollte die Ausbreitung des Virus an Brisanz verlieren." Danach gäbe es Spielraum für eine Erholung bis zum Ende des zweiten Quartals.

Ein Anhaltpunkt für einen Bärenmarkt sind jedenfalls die Aktien der UBS und Credit Suisse. Unter den Börsenhändlern wird die Kursperformance der Schweizer Grossbanken oft als vorauseilender Indikator für den Gesamtmarkt betrachtet. Demnach wäre die Aktie der Credit Suisse bereits in einem Bärenmarkt, denn sie hat in den letzten sieben Handelstagen bereits 21 Prozent an Wert verloren. Die Aktien der UBS stehen 17 Prozent tiefer im selben Zeitraum.

ManuelBoeck
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