Bereits seit Tagen hat es Gerüchte gegeben, dass UBS-Chef Sergio Ermotti noch dieses Jahr abgelöst werden soll. Die Reaktionen von Marktteilnehmern und Analysten konzentrieren sich daher vor allem auf Ralph Hamers, der Ermotti im Herbst nachfolgen soll. Hamers ist seit 2013 CEO des niederländischen Allfinanzkonzerns ING Groep.

Der 53-jährige Hamers hat seine bisherige Karriere ohne Bruch bei der ING durchlaufen: Er arbeitet bereits seit 29 Jahren bei der holländischen Gruppe, wo er zunächst verschiedene Positionen bekleidete, etwas als Länderchef in Rumänien oder Belgien. Im Jahr 2013 wurde er zum Bankchef der ING ernannt.

Analyst Peter Casanova von der Bank Julius Bär begrüsst den UBS-Entscheid und erinnert daran, dass die UBS vor wenigen Monaten die Sitze der UBS-Kernsparte Vermögensverwaltung ausgewechselt hat: Das schwach performende Geschäft wurde von Iqbal Khan und Tom Naratil übernommen. "Wir glauben", schreibt Casanova, "dass diese Wechsel das Rezept beinhalten, um die Handbremse zu lösen. Diese hat den Maschinenraum der Bank in den vergangenen Jahren gebremst." 

Mehr zum Thema: ING-Chef Hamers wird UBS führen - Aktienkurs steigt deutlich

Die positive Börsenreaktion, die vor dem Handelsstart erwartet worden war, bestätigt sich: Im frühen Handel legt die UBS-Aktie um rund 1,8 Prozent zu. Analysten verweisen in ihren Marktkommentaren darauf, dass Hamers als Chef der ING das Geschäftsmodell des Finanzkonzerns stark verändert hat.

«Kein Investmentbanker»

So schreibt die Zürcher Kantonalbank (ZKB): "Die UBS ist in Sachen Online-Angebot bereits führend in der Schweiz. Unter Hamers dürfte die Digitalisierung aber neuen Schub erhalten, wodurch die Bank ihren Vorsprung nochmals ausbauen dürfte." ZKB-Analyst Javier Lodeiro sieht es auch als positiv an, dass Hamers kein Investment-Banker ist. An den Investmentbeurteilungen zur UBS-Aktie ändert die ZKB vorerst nichts. Das Rating bleibt auf "Marktgewichten".

Im Fokus stehe dieses Jahr nach wie vor die Restrukturierung der Vermögensverwaltung und der Investment Bank sowie der französische Rechtsfall. Dort wird im Herbst ein Urteil erwartet. Letzten Spekulationen zufolge dürfte das Urteil die Bank weniger teuer zu stehen kommen als zeitweise befürchtet wurde.

Kosten bei der ING reduziert

Unter dem künftige UBS-Chef hat sich die ING-Gruppe in den vergangenen Jahren tiefgreifend geändert. So hatte Hamers etwa auch den schon vor seinem Amtsantritt beschlossenen Ausstieg aus dem Versicherungsgeschäft umzusetzen. Gleichzeitig galt es auch, die Kosten der Bank zu senken.

Analyst Andreas Venditti, der die UBS-Aktie seit längerem zum Kauf empfiehlt, verweist ebenfalls auf die Umbauarbeiten Hamers in den Niederlanden: "Die ING wird heute als eines der besten Bespiele für digitale Innovation im Bankensektor angesehen." Der amerikanische Asset Manager Jeffries schreibt in einem Kommentar: "Das Digitale ist nun zur DNA der ING geworden - und Hamers ist das Gesicht dieser Strategie."

Hamers ist kein Private Banker

Für etwas Skepsis sorgt bei den Beobachtern dagegen die Tatsache, dass Hamers als Chef der im Retail Banking starken ING Gruppe über eher weniger Erfahrung in der für die UBS wichtigen Vermögensverwaltung verfügt. Auch die ING hat allerdings wie die UBS Erfahrungen mit unliebsamen Rechtsfällen: 2018 musste die holländische Bank zur Beilegung eines umfangreichen Geldwäscheskandals eine Strafe von rund 775 Millionen Euro bezahlen.

Auch ein Händler am Schweizer Markt verwies am Donnerstagmorgen auf die Erfahrung des künftigen UBS-CEO mit der Digitalisierung, weist aber auch auf die mangelnde Erfahrung im Kerngeschäft der UBS hin: "Die Erfahrung in der Vermögensverwaltung fehlt ihm ein bisschen - dafür hat er ja aber den Iqbal Kahn."

 

Der Schweizerische Bankpersonalverband ist dagegen skeptisch. Nicht in erster Linie wegen der möglichen Kostenschere, die der neue CEO ansetzen könnte, sondern wegen der Nationalität. "Wir bedauern, dass der Nachfolger von Sergio Ermotti nicht aus der Schweiz stammt", schreibt Denise Chervet, Geschäftsführerin des Bankenpersonalverbandes auf Anfrage. "Wir hätten lieber jemanden auf dem UBS-Chefposten, der die Schweizer Bankenkultur und die hiesige Sozialpartnerschaft von Grund auf kennt."

Dass die Wahl auf Hamers gefallen ist, betrachtet Bankenspezialist Rahul Sen vom Headhunter Boyden Executive Search als Überraschung. Er glaubt, dass er die UBS nicht allzusehr zum "schaukeln" bringen werde. Die ING habe aber in den vergangenen zehn Jahren die Kosten reduziert und sei deutlich zurück in die Profitabilität geführt worden. Damit ist angedeutet, dass es bei der UBS zu weiteren Restrukturierungen kommen werde.  

Auch ING bezog 2008 Staatshilfe

Die ING-Gruppe hat eine der UBS nicht unähnliche Vergangenheit: Wie das grösste Schweizer Bankhaus hatte auch die niederländische ING in der Finanzkrise von 2008 massive Kapitalisierungsprobleme und musste vom Staat gerettet werden. Unter der Führung von Hamers hatte die Bankengruppe die Staatshilfen 2014 vollständig zurückgezahlt.

Bezüglich seines Salärs wird der neue UBS-CEO in der Schweiz sicherlich in neue Sphären vorstossen. Sein Gehalt als ING-CEO beträgt laut Medienberichten rund 2 Millionen Euro. Eine geplante Erhöhung seines Salärs auf 3 Millionen Euro im Jahr 2018 hatte einen Aufschrei der Empörung in der niederländischen Öffentlichkeit verursacht. UBS-Chef Ermotti hatte dagegen für 2018 eine Gesamtvergütung von 13,8 Millionen Franken erhalten.

Beim Aktienkurs der von ihm geführten Bank kann Hamers eine deutlich bessere Bilanz als Ermotti ausweisen: Seit seinem Amtsantritt im Oktober 2013 ist der Kurs der ING-Aktie immerhin von 8,64 Euro auf derzeit rund 10,25 Euro angestiegen. Der Kurs der UBS-Aktie ist im gleichen Zeitraum von damals 18,80 Franken auf heute 13,17 Franken abgesackt.

Mit Material der Nachrichtenagentur AWP und Bloomberg.