Die Van Lanschot Kempen hat einen Test entwickelt, der einen nationalen Korruptions-Score enthält. Der 400 Jahre alte Vermögensverwalter wird beginnen, Staatsanleihen und staatsnahe Unternehmen aus Ländern, die durchfallen, auszuschliessen, erklärte Manager Nikesh Patel. Die neue Strategie werde für alle Portfolios des gesamten Unternehmens gelten. Patel machte keine Angaben zum Gesamtumfang der Veräusserungen.

Die ESG-Branche hat laut Bloomberg Intelligence in diesem Jahr schätzungsweise 40 Billionen Dollar erreicht, und ihr ungezügeltes Wachstum hat zu etlichen dubiosen Investitionsentscheidungen geführt. Eine Bloomberg-Analyse vom März zeigte, dass ESG-Fondsmanager sowohl russische Staatsanleihen als auch Aktien von in Staatsbesitz befindlichen Öl- und Gasriesen hielten. Eine andere Bloomberg-Analyse deckte das grosse Engagement von ESG-Fonds in China auf, einem weiteren autokratischen Regime.

Vermeiden von kontroversen Ländern

Solche Investitionen seien für einen ESG-Fondsmanager nicht mehr tragbar, so Patel. "Wir versuchen, kontroverse Länder zu identifizieren und zu meiden", sagte er. "Länder, in denen kontroverse Handlungen wahrscheinlicher sind, wegen ihres Umgangs mit der Umwelt oder der Art, wie sie ihre Völker regieren - der russisch-ukrainische Krieg ist ein extremes Beispiel dafür."

Kempens Screening-Tool bewertet Regierungen laut Patel in allen Bereichen, vom Klimawandel bis zu Redefreiheit und Korruption. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine habe die Notwendigkeit dieses Schrittes untermauert, aber das Unternehmen habe bereits vor dem Krieg an dem Tool gearbeitet, angetrieben von der Frustration über die Anwendungen von ESG in der Branche.

Auch Demokratien schneiden schlecht ab

"Es wurde ein Index für chinesische Staatsanleihen erstellt, der komplett als ESG gekennzeichnet war. Es wurde ein Index für Schwellenländeranleihen erstellt, der China ausschloss oder das Engagement in China stark reduzierte, aber das Engagement in Saudi-Arabien stark übergewichtete", so Patel. "All diese Dinge haben uns zu schaffen gemacht. Wir waren der Meinung, dass es einen besseren Weg geben muss."

Bei Kempens Tests haben auch einige Demokratien schlecht abgeschnitten. Indien ist nur knapp über die Ziellinie gekommen und am meisten gefährdet, sie bei den nächsten Aktualisierungen der Ergebnisse zu verfehlen, so Patel.

Sogar die USA geben Anlass zu Bedenken. Bei der Bewertung von Freiheit und der Demokratie schneiden sie "zwar besser, aber nicht perfekt ab", so Patel. Und was die Umwelt angeht, sind die USA "in keinem Bereich auch nur annährend an der Spitze" des Rankings zu finden, sagte er.

Klimafonds am wachsen

Unterdessen gibt es Anzeichen dafür, dass die Vermögensverwalter in China den ESG-Aspekten mehr Aufmerksamkeit schenken. Chinesische Fonds mit Klimaschwerpunkt haben ihr Vermögen im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt und damit die USA übertroffen, wie Daten von Morningstar zeigen.

Chinas Klima-Fondsvermögen wuchs im Jahr 2021 auf 47 Milliarden Dollar an, angetrieben durch Rekordzuflüsse und einer Outperformance des heimischen Sektors für saubere Energie. In den USA stiegen die Klimafonds auf 31 Milliarden Dollar, während sie sich in Europa - dem mit Abstand grössten Markt - auf 325 Milliarden Dollar fast verdoppelten.

Gemische Kundenreaktion

Van Lanschot Kempen fasst Daten von verschiedenen akademischen Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen zusammen, darunter Reporter ohne Grenzen, die die Pressefreiheit überwachen, Transparency International, das die Korruption misst, und die Umweltforschungsorganisation Climate Action Tracker. Länder, die den Test nicht bestehen, werden aus dem Anlageportfolio ausgeschlossen.

Die Reaktion der Kunden sei bisher gemischt gewesen, so Patel. Einige hätten sich besorgt über die Auswirkungen auf die Rendite geäussert.

Einem Kunden, der "nur in globalen festverzinsliche Anlagen unterwegs war, zu sagen: ‘Ich werde chinesische Staatsanleihen ausschliessen’, obwohl dies in den letzten fünf Jahren der einzige Ort war, an dem man ernsthafte Renditen erzielen konnte", sei kein einfaches Gespräch, so Patel.

(Bloomberg)