Der australische Bundesstaat Queensland sucht händeringend nach Köchen, Barkeepern und Reiseleitern. Um sie zu einem Umzug zu animieren, hat sich die dortige Regierung etwas Besonderes einfallen lassen. Interessenten werden mit einem "Work In Paradise" genannten Programm an die sonnenverwöhnten Strände gelockt. Das sieht eine Einmalzahlung von 1500 australischen Dollar plus einen Reisekostenzuschuss von 250 Dollar vor. Die Unternehmen selbst können angesichts niedriger Gewinnspannen und grossen Konkurrenzdrucks keine deutlichen Lohnerhöhungen stemmen.

"Die Unternehmen versuchen auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Arbeitskräftemangel umzugehen, aber wir sehen keinen branchenweiten Lohndruck", sagt Daniel Gschwind, Geschäftsführer des Queensland Tourism Industry Council.

Queensland steht damit nicht alleine da. In dem Jahrzehnt nach der weltweiten Finanzkrise 2009 hat das Lohnwachstum in vielen Ländern Mühe, gewohnte Höhen zu erreichen. Die Corona-Pandemie hat im vergangenen Jahr die Verdienste in vielen Ländern noch weiter nach unten gedrückt, wie die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) feststellt. Zwar ziehen derzeit weltweit die Konsumentenpreise merklich an, doch geht dies vor allem auf höhere Preise für Rohöl und andere Rohstoffe sowie Vorprodukte zurück. Trotz billionenschwerer staatlicher Konjunkturhilfen kommt das Wachstum der Löhne dagegen nicht richtig in Schwung. Das gilt typischerweise als Voraussetzung für eine anhaltende Inflation.

Die US-Notenbank Fed sieht in einem gesunden Lohnwachstum das vielleicht wichtigste Signal dafür, dass der Arbeitsmarkt auf dem Weg der Besserung ist. Aber die Pandemie hat es schwierig gemacht, solche Hinweise überhaupt zu erkennen. Die durchschnittlichen Stundenlöhne etwa stiegen zu Beginn der Gesundheitskrise - aber nur, weil so viele Niedriglohnempfänger ihren Job loswurden. Die Notenbanker schätzten im März, dass die mittleren Einkommen um etwa 3,1 Prozent zum Vorjahreszeitraum gestiegen sind. Das ist weniger als die 3,5 Prozent, die 2019 erreicht wurden.

Das bescheidene Lohnwachstum in den USA hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob es einen Arbeitskräftemangel gibt - was auf den ersten Blick verwundert, zählt die weltgrösste Volkswirtschaft doch immer noch acht Millionen Jobs weniger als vor Ausbruch der Pandemie. Die Notenbanker stellten zuletzt fest, dass Unternehmen entweder Stellen abbauen oder sich auf Kostensenkungen oder Produktivitätssteigerungen konzentrieren, insbesondere durch Automatisierung.

«Trendwende frühestens Mitte 2022»

Wie in den Vereinigten Staaten und Australien zeichnet sich auch in Grossbritannien im Zuge der wirtschaftlichen Erholung ein Arbeitskräftemangel ab. Eine Umfrage des Instituts IHS Markit unter Managern ergab im Mai, dass steigende Gehälter zum grössten Kostendruck bei den britischen Dienstleistern seit Juli 2008 beitrugen. Das Statistikamt Office for National Statistics warnt jedoch, dass das jährliche Lohnwachstum von 4,0 Prozent im ersten Quartal in die Irre führe. Auch hier hatten, ähnlich wie in den USA, Niedriglöhner im vergangenen Jahr eher ihren Job durch die Pandemie verloren und sind dadurch aus der Statistik gefallen. Bereinigt um diese Verzerrung lag das Lohnwachstum bei nur noch 2,5 Prozent und damit nahe am langfristigen Durchschnitt.

In der Euro-Zone, in der die konjunkturelle Erholung deutlich hinter den USA herhinkt, gibt es ebenfalls keine Signale für eine starkes Lohnplus. Typisch ist die Einigung zwischen Europas grösstem Autohersteller Volkswagen und der Gewerkschaft IG Metall vom 13. April, die eine bescheidene Lohnerhöhung von 2,3 Prozent ab Januar nächsten Jahres vorsieht. Sie bleibt weit unter den ursprünglichen Forderungen der Gewerkschaft von vier Prozent. "Eine Trendwende bei den Lohnabschlüssen ist - wenn überhaupt - frühestens Mitte 2022 zu erwarten", schreiben die Analysten der Commerzbank.

Schlechte Prognose für Japan

Noch düsterer sieht es für Beschäftigte in Japan aus. Dort stiegen die Löhne im März um magere 0,2 Prozent zum Vorjahresmonat. 2019 waren sie um 0,4 Prozent gefallen, 2020 sogar um 1,2 Prozent.

Nimmt die weltweite Konjunkturerholung von der Pandemie Fahrt auf, könnte auch der Lohndruck zunehmen, da die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt. Doch dann stellt sich die Frage, ob die Lohnzuwächse für einen Inflationsschub sorgen werden, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Einige Analysten sind davon nicht überzeugt und führen Faktoren wie die Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation im Jahr 2001 an. Durch den seither weltweit gestiegenen Konkurrenzdruck sparen die Unternehmen lieber an anderer Stelle, anstatt die Preise für ihre Kunden zu erhöhen. Höhere Lohnkosten an die Verbraucher weiterzugeben hält der Analyst Mike Kelly von PineBridge Investments für "selbstmörderisch".

Wer sich mit dem Programm "Work In Paradise" zum Arbeiten nach Queensland locken lässt, kann sich zwar auf einen hübschen Bonus freuen. Paradiesische Lohnzuwächse in den kommenden Jahren dürften aber eher die Ausnahme bleiben.

(Reuters)