Nervosität und grösseren Kursbewegungen könnten vor allem Anleihemärkte erfassen. Denn ein Herunterfahren der Corona-Nothilfen von monatlich 120 Milliarden Dollar könnte bereits Ende August auf der Notenbanken-Konferenz in Jackson Hole ein Thema werden, wie Fed-Chef Jerome Powell signalisierte. Die Diskussion über dieses im Fachjargon "Tapering" genannte Manöver habe intern bereits begonnen.

"Die logische Reaktion auf die neuesten Informationen ist, dass die Zinsen steigen werden, und sie werden wahrscheinlich schneller steigen, als die Leute gedacht haben," sagt Marcus Moore, Portfoliomanager beim Vermögensberater Zeo Capital Advisors. Dank dieser Aussichten markierte die Rendite der zehnjährigen US-Treasuries in einer ersten Reaktion mit 1,594 Prozent den höchsten Stand seit Anfang Juni. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg auf 91,483 Punkte - den höchsten Stand seit zwei Monaten. An den Aktienmärkten, die als Alternative zu Anlagen mit einer nur niedrigen Verzinsung gesehen werden, kam es dagegen zu moderaten Verlusten.

Den Sommer über würden Börsianer und Notenbanker den Finger weiter eng am Puls der Konjunktur haben, sagt Portfoliomanager Jason England von Janus Henderson. "Die Fed macht deutlich, dass sie abwartet und einen geräuschvollen Sommer mit Daten durchmachen will, um einen Trend zu erkennen, bevor sie eine Entscheidung über den Start trifft."

FED HEIZT ZINS- UND INFLATIONSDEBATTE WIEDER AN

Schon seit Monaten rätseln Investoren, wie den Notenbankern nach dem Abklingen der Corona-Pandemie der Weg aus dem Krisenmodus gelingen kann. "Angesichts der davon galoppierenden Wirtschaftserholung sind negative Realzinsen eine Abkoppelung von der Realität und das muss durch Zinserhöhungen in Einklang gebracht werden", sagt Todd Thompson vom Vermögensverwalter Reams Asset Management. Dabei setzt vor allem die rasant gestiegene Inflation die Fed unter Zugzwang. Sollte diese noch stärker durch die Decke gehen als erwartet, könnte es an den Börsen stürmisch werden.

Marktteilnehmer an den Terminbörsen rechnen nun mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 90 Prozent mit einer Anhebung der US-Zinsen bis Januar 2023, zuvor waren sie von einem Zeitraum bis April ausgegangen. Die Erwartungen, dass es 2023 zwei Zinsschritte geben könnte, seien nach der Fed-Sitzung deutlich gestiegen, kommentieren die Analysten der BayernLB. Zudem sei die in den vergangenen Wochen an den Börsen eher im Hintergrund geführte Debatte um Inflation und Zinsen wieder neu entfacht, konstatiert Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst vom Handelshaus CMC Markets.

ERNEUTES TAPER-TANTRUM VORAUS?

Die Währungshüter wissen, dass sie mit ihren billionenschweren Hilfen für die pandemie-gebeutelte Wirtschaft auf Dauer Exzesse an den Börsen und am Immobilienmarkt riskieren. Doch ein kalter Entzug darf es nicht werden: Mit Unbehagen denken viele Börsianer an den Mai 2013 zurück, als der damalige Fed-Chef Ben Bernanke völlig überraschend die Idee einer schrittweisen Eindämmung der Geldflut ansprach. Die Bondrenditen gingen durch die Decke und lagen im Spätsommer bei drei Prozent.

Das sogenannte Taper Tantrum von damals werde sich aber nicht wiederholen, meint Rick Rieder, Investmentexperte bei BlackRock. "Das grösste Risiko für die Märkte wäre eine Überhitzung, bei der schwer vorhersehbar ist, wie hoch der Lohndruck und die Lohnkosten noch werden könnten." Auch Tiffany Wilding, Ökonomin bei Pimco, rechnet nicht mit den gleichen Verwerfungen wie damals. "Das soll nicht heissen, dass Anleihen nicht verkauft werden, aber wir machen uns keine Sorgen über einen gewaltsamen Ausverkauf", fügt sie hinzu.

Im Blick behalten sollte die Fed auch, dass die Konjunktur noch länger anfällig für einen Rückschlag sein dürfte. "Zum Jahresende könnte es für die Wirtschaft härter werden", sagt John Lekas vom Vermögensverwalter Leader Capital. "Ich denke, der abwartende Ansatz der Fed macht Sinn."

(Reuters)