Dank einer überraschend guten Erholung aus dem Lockdown von Fabriken und Autohäusern rund um die Welt schnitt der Konzern besser ab als befürchtet. Im Juni sei die Entwicklung sogar "stark" verlaufen, hiess es am Donnerstagabend nach Börsenschluss aus Stuttgart. Die Aktien legten am Freitag deutlich zu.

Der Dax-Konzern fuhr demnach auf Basis vorläufiger Zahlen einen Verlust vor Zinsen und Steuern von 1,68 Milliarden Euro ein. Das war zwar nur etwas mehr Minus als im Vorjahreszeitraum mit 1,56 Milliarden Euro - damals hatte der Konzern aber milliardenschwer die Rückstellungen für Dieselverfahren und Takata-Airbags erhöhen müssen.

Analysten hatten beim Betriebsergebnis der Monate April bis Juni 2020 mit einem noch höheren Verlust gerechnet, Daimler selbst hatte bereits rote Zahlen angekündigt. Die Markterholung sei aber stärker ausgefallen als gedacht, hiess es vom Konzern.

Die Daimler-Aktie gewann am Freitag nach Handelsstart über 4 Prozent auf 39,24 Euro. Bereits in den vergangenen Wochen hatte sich das Papier vom Corona-Crashtief bei nur wenig mehr als 21 Euro schon wieder deutlich erholt. Bevor die Pandemie die Aktienmärkte mit voller Wucht erfasst hatte, war es noch mehr als 42 Euro wert gewesen.

«Sehr positive Resultate»

JPMorgan-Analyst Jose Asumendi sprach in einer ersten Einschätzung von "sehr positiven Resultaten". Die Verluste in der Pkw- und Van-Sparte seien weit weniger schlimm gewesen als befürchtet, urteilte Goldman-Sachs-Experte George Galliers. Die Zahlen dürften den Konzern ermutigen, seinen Ausblick zu konkretisieren, was wiederum die Markterwartungen stützen sollte.

Die Stammmarke Mercedes-Benz hatte zwar im zweiten Quartal mit insgesamt 457'711 Autos weltweit 20,2 Prozent weniger Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert als ein Jahr zuvor. Das lag aber vor allem an Europa und Nordamerika. In China fand Mercedes bereits wieder in die Wachstumsspur zurück und erzielte nach dem Ende des Lockdowns im wichtigsten Automarkt der Welt ein Auslieferungsplus von fast 22 Prozent. Auch inklusive des schwachen ersten Quartals hat der Autobauer dort nun seit Jahresbeginn wieder eine positive Bilanz vorzuweisen.

"Aber es bleibt viel zu tun", sagte Daimler-Chef Ola Källenius. "Wir müssen unsere systematischen Bemühungen fortsetzen, die Gewinnschwelle des Unternehmens durch Kostenreduktion und Kapazitätsanpassungen weiter zu senken." Källenius hat sich bei den Kostenstrukturen des Traditionskonzerns viel vorgenommen, nachdem er das Ruder vom langjährigen Daimler-Boss Dieter Zetsche übernommen hatte.

In den Zahlen enthalten waren Sonderbelastungen von 687 Millionen Euro in der Pkw- und Van-Sparte für die Straffung der Produktion in Frankreich, den USA und Mexiko. Für rechtliche Verfahren musste Daimler zusätzlich 53 Millionen Euro ausgeben, auch das verlustbringende Carsharing-Joint-Venture Your Now mit BMW erforderte 105 Millionen Euro an Sonderkosten. Zudem nahm Daimler 129 Millionen Euro für das laufende Sparprogramm in die Hand. Bereinigt um diese Faktoren lag der operative Konzernverlust bei 708 Millionen Euro. Neben dem Autogeschäft musste auch das Nutzfahrzeug-Geschäft einen herben Dämpfer hinnehmen, bei dem schon vor der Coronakrise ein deutlicher Abschwung ins Haus stand.

Überraschender Mittelzufluss

Überraschen konnte Daimler vor allem beim Mittelzufluss aus dem laufenden Industriegeschäft - sprich dem Auto- und Nutzfahrzeugbau. Hier erzielte der Konzern ein Plus von 685 Millionen Euro, Analysten hatten mit milliardenschweren Abflüssen gerechnet. Die Nettoliquidität im Industriegeschäft stieg gegenüber Ende März von 9,3 auf 9,5 Milliarden Euro zur Mitte des Jahres. "Hinter uns liegt ein komplexes Quartal. Wir haben proaktiv Entscheidungen hinsichtlich der Kosten und Ausgaben getroffen und uns intensiv auf das Management unseres Working Capital fokussiert", sagte Källenius.

Autobauer hatten angesichts der wochenlangen Produktions- und Verkaufspausen auf den Weltmärkten auch die Abrufe bei den Zulieferern auf Eis gelegt und für Zehntausende Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt, um die Konzernkassen zu schonen. Wenn die Nachfrage wieder anspringt, leeren sich die Vorräte und die Parkplätze mit bereits produzierten Autos schneller.

Insbesondere bei Daimler hatten Finanzexperten den hohen Bedarf an sogenanntem Betriebskapital in der Vergangenheit mehrfach gerügt. Daimler habe die Vorräte und Forderungen nun wohl deutlich schneller senken können als gedacht, schrieb Mainfirst-Analyst Daniel Schwarz. In der europäischen Autobranche habe der Konzern gemessen am Umsatz aber auch die mit Abstand höchsten Bestände an Betriebskapital. Dennoch sei die Entwicklung im zweiten Quartal überraschend und sollte Sorgen um die Bilanzstärke mildern.

Free Cashflow im Zentrum des Investoreninteresses

Investoren blicken mit hohem Interesse auf den Free Cashflow, also die Entwicklung der frei verfügbaren Zahlungsmittel. Letztlich geben sie Aufschluss über die aktuelle Finanzkraft, was in der Krise wichtig für die existenzielle Sicherung ist - aber eben auch über mögliche Dividenden mitbestimmt.

Auch deshalb dreht Källenius derzeit stark an der Kostenschraube. Im November hatte der seit gut einem Jahr amtierende Schwede ein Sparprogramm aufgelegt, das bei den jährlichen Personalkosten 1,4 Milliarden Euro bringen sollte. Personalchef Wilfried Porth legte die Latte am Wochenende noch einmal höher: 1,4 Milliarden Euro würden nicht ausreichen, genauso wenig die kolportierte Streichung von bis zu 15 000 Jobs. Laut einem unbestätigten Bericht des "Handelsblatts" vom Freitag sollen es nun rund 20 000 Stellen sein - mit einem Einsparziel von 2 Milliarden Euro. Daimler hat weltweit rund 300 000 Mitarbeiter.

Zum Umsatz und dem Gewinn unter dem Strich machte Daimler zunächst keine Angaben. Die vollständigen Quartalszahlen werden am 23. Juli veröffentlicht.

(AWP)