Seit 2008 die legendäre Schweizer Grossbäckerei Hiestand und die irische IAWS zum Backwarenkonzern Aryzta fusionierten, führten Owen Killian als CEO und Patrick McEniff als CFO das Unternehmen. Zwar verdienten die beiden viel, aber besonders erfolgreich waren sie mit dem Unternehmen nicht, das vor allem Supermärkte und die Gastronomie mit Brotwaren, Frischbackprodukten und Gebäck beliefert.

Die Zahlen in den Bilanzen bei Aryzta sind eher verwirrend, genauso die Strategie, was sich in den vergangenen Jahren in einer Abfolge von Beteiligungen und Verkäufen äusserte. Von einem zu hohen Goodwill ist die Rede, und das Gespenst einer Kapitalerhöhung macht die Runde. Die Rückzahlung einer Hybridanleihe verschob Aryzta, und als Dividende gibt es statt Bares Aktien.

Der Aktienkurs von Aryzta in den vergangenen 12 Monaten (Grafik: cash.ch)

All dies lässt sich im Aktienkurs ablesen. Ein Höchststand bei 88,65 Franken Mitte 2014 steht zu einem aktuellen Kurs bei 31.40 Franken in Kontrast. Anfang 2017 war die Aktie noch 41 Franken wert. Am 24. Januar brach der Kurs an einem Tag um rund 30 Prozent ein. Grund war eine vom Markt als "hässlich" bezeichnete Gewinnwarnung. Ein erschütterndes Urteil.

Hoch verschuldet

Der Grund für den engen finanziellen Spielraum ist denkbar einfach: Aryzta steht bei den Banken in der Kreide – und das nicht nur ein bisschen. Die Nettoverschuldung beträgt 1,73 Milliarden Euro, während die Börsenkapitalisierung bei rund 2,5 Milliarden und das Eigenkapital bei 2,2 Milliarden Euro liegt. Würde das Hybridkapital als Fremdkapital gebucht, läge die Nettoverschuldung sogar auf Höhe der Börsenkapitalisierung und das Eigenkapital wäre nur noch bei 1,4 Milliarden Euro.

"Hoch verschuldete Unternehmen haben grundsätzlich ein hohes Potenzial beim Aktienkurs", erklärt Remo Rosenau, Leiter Research bei der Neuen Helvetischen Bank NHB. Denn wenn die Verschuldung sinke, müsste sich dies in einer entsprechend höheren Börsenkapitalisierung niederschlagen. Gleichzeitig würden höhere Gewinne den Unternehmenswert (Kapitalisierung plus Nettoschulden) steigern, was bei einer hohen Verschuldung wie ein Hebel auf die Börsenkapitalisierung wirke.

CEO will Vertrauen zurückgewinnen

Was sich im oben dargestellten Aktienkurs ablesen lässt, ist aber auch ein leichter Kursanstieg in den vergangenen Wochen. Um Aryzta hat sich ein gewisser Optimismus breitgemacht. Seit dem 12. September ist mit Kevin Toland ein neuer Konzernchef am Ruder. Er legte zwar am 26. September ein höchst problematisches, tiefrotes Jahresergebnis für 2016/17 vor, unter anderem mit einer augenfälligen Wachstumsschwäche im wichtigen Nordamerika-Markt. Nichtsdestotrotz traut der Markt dem neuen Management aber einiges zu. Seit Ende September stieg der Aktienkurs um 13 Prozent.

Das Management sagt, der "Inflection Point" sei schon erreicht, also der Punkt, an dem sich die Geschicke des Unternehmens wenden. Ob dies stimmt, ist eine andere Sache. Andererseits erreichte Aryzta im Geschäftsjahr 2016/2017 trotz vieler Probleme einen Cash-Flow vom 196 Millionen Euro. In den nächsten vier Jahren erwartet das Management insgesamt einen Cash-Flow von einer Milliarde Euro: Dies würde in der Tat dazu verwendet werden, den Schuldenberg abzubauen. Es ist allerdings auch wegen der Kreditverträge nötig.

Die bei der letzten Refinanzierung mit den Banken neu festgelegten "Covenants" (Vereinbarungen) erlauben per Ende Januar 2018 eine Nettoverschuldung in Relation zum EBITDA von bis zu 4,75. Danach sinkt das Limit, per Ende Juli 2019 ist noch ein Verhältnis von 3,5 erlaubt.

Schon deshalb muss die "Net debt to Ebitda Ratio" in den nächsten 19 Monaten auf unter 3.5x sinken: "Die Schulden möglichst schnell zu reduzieren muss nun die oberste Maxime von Aryzta sein", sagt Rosenau, der mittelfristig erst bei einer Verschuldungszahl von gegen 2,5 eine entspannte Situation diagnostizieren würde. Bei Erfüllung der Banken-Vereinbarungen könnte das Milliarden-Ziel beim Cash-Flow über vier Jahre aber eingehalten werden.

Abwarten und... Gipfeli essen?

Die geschilderte Situation des Unternehmens ist im Grunde genommen eine ideale Ausgangslage für Contrarians, also Anleger, die tief gefallene Aktien kaufen und damit gegen den Strom schwimmen. Gewissenhafte Contrarians allerdings wollen auch Klarheit in der Form von mehr Zahlen und Aussagen, welche der Hoffnung auf steigende Kurse eine gewisse Berechtigung geben.

Bei Aryzta ist dies noch nicht so recht der Fall.  Nach wie vor ist die Aryzta-Aktie ein Fall für Zocker, auch wenn die Empfehlungen der Analysten uneinheitlich sind: Kepler Cheuvreux und Berenberg raten zum Kauf, die Bank Vontobel sagt: "Reduce." Die Zürcher Kantonalbank und einige andere Finanzinstitute stehen bei "Hold".

 

 

Anleger, die sich für Aryzta interessieren, könnten die nächsten Geschäftszahlen abwarten. Sollte sich dann zeigen, dass sich die Verschuldungssituation bessert und gleichzeitig die operative Leistung des Unternehmens keinen Schaden nimmt, ist dies gut für die Aktie. Aryzta legt nächstes Mal am 12. März Zahlen vor. In der Zwischenzeit, am 7. Dezember, führt das Unternehmen seine Generalversammlung durch.

"Man muss die Fortschritte bei den nächsten Zahlen sehen", sagt Aktienexperte Rosenau. Sonst könne der Börsenkurs auch schnell wieder nervös reagieren, und die beschriebene Hebelwirkung auf den Aktienkurs wirke schliesslich auf beide Seiten.