13 Jahre war Patrik Gisel Stellvertreter und rechte Hand von Pierin Vincenz. 13 Jahre war er Zudiener seines Chefs. 13 Jahre lang warten. Schliesslich konnte Gisel den König beerben. Das war im Herbst 2015.

Doch dann der Knall. Sein Ziehvater musste vom 27. Februar bis 12. Juni in Untersuchungshaft. Die Zürcher Staatsanwaltschaft ermittelt wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, die Vorwürfe bestreitet Vincenz. Die Folge: Seit Monaten kommt die drittgrösste Bank der Schweiz aus den Negativschlagzeilen nicht mehr heraus. Gisel, nun selber arg unter Druck, will die Krise aussitzen.

Doch plötzlich findet Gisel selber, dass er die "Debatte um meine Person" beenden muss und die Reputation der Bank schützen will, wie er am Mittwochmorgen in seiner Rücktrittsankündigung verlautbaren lässt. Zu dieser Erkenntnis hätte Gisel weitaus früher kommen können. Er hat mit seiner jahrelangen Nähe zu Vincenz keine Glaubwürdigkeit mehr – auch wenn in der laufenden internen Untersuchung nachgewiesen werden sollte, dass Gisel tatsächlich nichts von Vincenz‘ Geschäftsgebaren gewusst hat.

Unverständlich mag erscheinen, dass Gisel nicht sofort zurücktritt. Doch auch das kann sich noch ändern. Intern bot sich niemand an, der interimistisch als Nachfolger in Frage kam. Und wahrscheinlich wollte kein externer Feuerlöscher diesen Job übernehmen. So oder so ist das kein gutes Zeichen für die Strukturen der Bank.

Dass Raiffeisen dringend einen grundlegenden Neuanfang braucht, hat mittlerweile auch der Verwaltungsrat eingesehen. Doch da stellt sich das nächste Problem: Der seit dem Frühjahr amtierende Interimspräsident Pascal Gantenbein will das Amt fest besetzen. Bloss kommt er bei der Basis nicht an. Die will keinen branchenfremden Wirtschaftprofessor mehr, wie es bereits sein Vorgänger Johannes Rüegg-Stürm war. Gantenbein steht für die alte Raiffeisen. Will die Bank einen wirklichen Neuanfang, muss auch Gantenbein seinen Posten räumen.

Diese personelle Mutation wird, sollte sie Tatsache werden, nicht die letzte sein. Raiffeisen wird weitere Monate oder Jahre der Unruhe haben. Ein neuer CEO – aller Wahrscheinlichkeit nach wird ein bankexterner Kandidat das Rennen machen – wird das System Raiffeisen gründlich hinterfragen. Auch bei der Personalbesetzung. Und das fordert in aller Regel weitere Opfer auf höchster Stufe.