Vor knapp hundert Jahren hatten die Sanatorien durch den von Thomas Mann verfassten Roman "Der Zauberberg" Berühmtheit erlangt. Aber auch heute noch pilgern gut betuchte Leute in den Alpen-Ort, um sich dort behandeln zu lassen, unter anderem wegen Burnout und Depression.

Zwar beherbergen einige ehemalige Sanatorien, wie die Schatzalp, die in Manns Buch mehrfach erwähnt wird, heute Urlauber und Konferenzteilnehmer. Aber die über 100 Jahre alte Hochgebirgsklinik ist nur eine von mehreren in der Region, die sich um die psychische Gesundheit kümmern.

Burnout sei eine “Pandemie“, hieß es vom Weltwirtschaftsforum (WEF), das in dieser Woche in Davos sein jährliches Treffen von Unternehmenslenkern und hochrangigen Politikern veranstaltete. Dieses Jahr widmet es mehrere Sitzungen dem Thema, einschließlich Diskussionen darüber, wie eine gesunde Organisation geführt werden kann. Außerdem gibt es ein Achtsamkeits-Retreat, das Teilnehmern helfen soll, ihren Blutdruck zu senken.

Bedarf gibt es sicherlich. So ist Japan berüchtigt für seine langen Arbeitstage, und es gibt sogar den Begriff “Karoshi“ für Tod durch Überarbeitung. Aber beruflicher Stress ist nicht auf Asien beschränkt.

«»Laut einer Gallup-Studie aus dem Jahr 2019 erleben etwa drei Viertel der US-Arbeitnehmer einen berufsbedingten Burnout. In Deutschland hat sich die Zahl der Personen, die wegen psychischer Probleme krank geschrieben sind, in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht. In Großbritannien machen Stress, Depressionen und Angstzustände fast die Hälfte aller arbeitsbedingten Erkrankungen aus.

Begriff Burnout in den 1970er Jahren geprägt

Die Arbeitsbedingungen in der globalisierten Gesellschaft begünstigen einen Burnout, sagte Michael Pfaff, Psychiater an der Clinica Holistica Engiadina in der Nähe von Davos. Die Zahlen würden steigen, obwohl viel in das Gesundheitsmanagement der Unternehmen investiert wurde, fügte er hinzu. Über die bedeutenden persönlichen und sozialen Auswirkungen hinaus gibt es finanzielle Folgen in Form von Produktivitätsverlusten, Mitarbeiterwechsel und Arbeitslosigkeit.

Die OECD veranschlagt die Kosten für psychische Gesundheitsprobleme wie Depressionen und Angststörungen auf rund 4% vom BIP. In der Europäischen Union schlagen sich die niedrigeren Produktivitäts- und Beschäftigungsquoten von Betroffenen in Kosten von 260 Milliarden Euro für die Wirtschaft nieder. Hinzu kommen die Kosten für höhere Sozialversicherungsausgaben und das Gesundheitswesen.

Der Begriff Burnout wurde in den 1970er Jahren geprägt und seinerzeit vor allem für Erschöpfungszustände bei Angehörigen der Gesundheitsberufe verwendet. Doch im immer auf Empfang stehenden 21. Jahrhundert ist es ein zunehmendes Problem.

Wenn ständig Druck vorhanden ist, sei dies ein Problem, sagte Walter Kistler, Internist im Krankenhaus von Davos und Leiter einer Ambulanz beim Weltwirtschaftsforum. Unternehmen sollten lernen, mit ihren Ressourcen, einschließlich ihren Mitarbeitern, vorsichtiger umzugehen.

Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Schlaflosigkeit

Laut Kistler haben viele Patienten körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Schlaflosigkeit und wissen nicht, dass dies auf Stress zurückzuführen sei. Es sei daher schwierig zu sagen, ob Burnout und Depression zunehmen oder ob sie nur häufiger diagnostiziert werden.

Es gibt Anzeichen für einen beginnenden Wandel in den Unternehmen. So hat Volkswagen den Zugang einiger Mitarbeiter zu E-Mails außerhalb der Geschäftszeiten deaktiviert, während Microsoft Corp. seinen Mitarbeitern zwölf kostenlose Beratungsgespräche anbietet und Beratungsdienste vor Ort aufbaut.

Lloyds Banking deren CEO Antonio Horta-Osorio unter stressbedingter Schlaflosigkeit litt und 2011 eine Auszeit nahm, bietet eine private Versicherung an, die gleichermaßen psychische und physische Gesundheitsprobleme abdeckt. Zudem schult das Unternehmen Führungskräfte, wie sie auf Mitarbeiter mit einem derartigen Krankheitsbild reagieren sollen.

Aber möglicherweise geben Unternehmen und das Weltwirtschaftsforum lediglich Lippenbekenntnise ab, gegen Burnout vorzugehen. Das WEF in Davos wird kritisiert, lediglich ein Diskussionsforum für die globale Elite zu sein, um Themen wie Ungleichheit und globale Erwärmung zu diskutieren, ohne jemals etwas Wesentliches zu unternehmen.

“Wir stehen am Anfang substanzieller, realer Veränderungen”, meint hingegen Jeffrey Preffer, Professor an der Stanford University und Autor des Buches “Dying for a Paycheck (Für einen Gehaltsscheck sterben)“. “Jedoch sind die Fortschritte langsam, da Unternehmen Ausgleichsmöglichkeiten sehen, wo keine existieren und allzu häufig die Hauptursachen für die Probleme am Arbeitsplatz nicht angehen.”

(Bloomberg)