Über AstraZeneca spricht die Welt. Auf dem britisch-schwedischen Pharmakonzern ruhen viele Hoffnungen auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus. Der Wirkstoff-Kandidat AZD1222, an dem AstraZeneca zusammen mit der Universität Cambridge forscht, gehört zu den aussichtsreichsten Entwicklungen im Kampf gegen die Pandemie.

Nun hat AstraZeneca die Forschungen unterbrochen, nachdem ein Proband unerklärlicherweise krank geworden ist. Bisher hatten die Versuche gute Ergebnisse und kaum Nebenwirkungen gezeigt. Ob von einem Rückschlag die Rede sein kann, wird doch noch zeigen. Derzeit werden die Umstände der Erkrankung des Probanden untersucht.

 

 

An der Börse in London fällt der Kurs um 1,9 Prozent zurück. Ein deutliches Minus, aber noch kein Kursrutsch. Barclays etwa spricht beim Forschungs-Stopp lediglich von einem "Stimmungsdämpfer". Der Schritt wird als eine Vorsichtsmassnahme gewertet und erfolgt wenige Tage, nachdem grosse Pharmakonzerne eine Erklärung unterzeichnet haben, dass die Produktsicherheit in der Corona-Forschung an oberster Stelle stehe. 

Kursrücksetzer seit Mitte Juli

Das hohe Interesse an AstraZeneca zeigt sich indessen darin, dass Regierungen in aller Welt in den vergangenen Wochen Verträge mit dem Konzern geschlossen haben, um ihren Bevölkerungen möglichst schnell Zugang zum Impfstoff zu ermöglichen – wenn dieser denn fertig verfügbar ist. Der Aktienkurs eines solchen Unternehmens müsste eigentlich raketenartig in den Himmel schiessen. 

Langfristig gesehen zeigt der Kurs die weitherum geschätzten Eigenschaften von Pharmatiteln: In der vergangenen zehn Jahren ist der Kurs stetig nach oben gelaufen und zeigt in diesem Zeitraum ein Plus von 150 Prozent. 2020 ist die Lage aber etwas komplizierter. Nach dem Markt-Tiefpunkt im März war die Aktie tatsächlich von 58,70 auf 101,20 Pfund angestiegen. Seit diesem Höchstwert am 20. Juli ist der Kurs der AstraZeneca-Aktie inzwischen um gut 11 Prozent zurückgekommen. Die Jahresperformance von 9,7 Prozent ist für einen so stark beobachteten Pharmakonzern eher enttäuschend. Aktuell steht der Kurs von 83,10 Pfund.

Der Kurs der AstraZeneca-Aktie seit Anfang Jahr (Grafik: cash.ch)

Bei Analysten ist die Aktie nicht ganz unumstritten. Bloomberg listet 17 Experten auf, welche die Aktie zum Kauf empfehlen, aber auch sieben, die ein "Hold" ausgesprochen haben und sechs, zum Verkauf raten. Die UBS empfiehlt beispielsweise den Verkauf und warnt davor, die News von AstraZeneca "überzuinterpretieren". Andere Analysten verweisen auf die hohe Bewertung und rieten Anlegern schon vor Wochen, Gewinne mitzunehmen - das Kurs-Gewinnverhältnis (KGV) laut Bloomberg liegt bei 65.

Bei den "Sell"-Empfehlungen reiht sich auch Goldman Sachs ein. Die US-Investmentbank geht davon aus, dass AstraZeneca im zweiten Quartal in Sachen Profitabilität und Barmittelerwirtschaftung einen Höhepunkt erreicht hat. Die Gewinn-Situation des Gesamtkonzerns gibt immer wieder zu reden. Die wichtigsten Felder, in denen AstraZeneca tätig ist, sind Krebsmedikamente, Immonologie, Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen und Atemweg-Behandlungen. Dabei gehört AstraZeneca wie Roche oder Novartis zu den führenden Pharmakonzernen der Welt.

Mit einem anderen Risiko müssen AstraZeneca-Aktionäre allerdings auch noch umgehen können: Die Aktie ist in Grossbritannien kotiert und handelt in Sterling. Der Pfund-Kurs könnte dieses Jahr nochmals unter Druck geraten, denn die Brexit-Verhandlungen zwischen London und Brüssel münden jetzt in die entscheidende Phase. "Deal or No Deal" ist wieder das Thema, und bis – wohl im letzten Moment, also kurz vor Ende Jahr – ein Handelsabkommen stehen könnte, zieht es die britische Währung eher nach unten.