Am Aktienmarkt gibt es im Moment relativ wenig von jenem, was Analysten so gerne "Visibilität" nennen. Eine hektische Rotation von Wachstum zu Zyklikern und Value, eine flirrende Menge von Kommentaren zu den möglichen Plänen der US-Notenbank Fed und die Omikron-Welle der Pandemie machen Prognosen noch etwas schwieriger als sonst. 

Seit Jahresanfang stechen einige Schweizer Aktien am Markt heraus. Auffällige Kursbewegungen verlangen nach einer Erklärung. Vor allem aber: Es sind Aktien, bei denen man im Moment etwas wagen kann. 

Rieter: Die Erwartungen sind hoch

Eine der besten Aktien im ersten Halbjahr 2021, Kursrückgang bis zum Jahreswechsel, nun ein Rebound. Der über 200 Jahre alte Textilmaschinenhersteller Rieter hat zuletzt Schub erhalten, nachdem der kontroverse Grossaktionär und Ex-Verwaltungsrat Luc Tack seinen Anteil von 11,7 auf 15 Prozent aufstockte. Der belgische Investor sieht bei Rieter offensichtlich noch gute Renditen.

Seit Anfang Jahr ist der Kurs um 9 Prozent gestiegen. "Very old economy", könnte man meinen, sehen die Vorzeichen für Rieter aber gut aus. Rieter hilft an der Börse ein hoher Auftragsbestand, der Zukauf von Saurer-Firmenteilen vergangenes Jahr und die Aussicht auf eine weitere Erholung der Wirtschaft. Auch immer noch ein Plus ist die stabile Bilanz. Dank dessen konnten letztes Jahr zu einem günstigen Zeitpunkt die Saurer-Sparten übernommen werden.

Ein UBS-Analyst vermutete kürzlich allerdings, Umsätze und Bestellungen könnten im zweiten Halbjahr 2021 zurückgegangen sein. Zyklisches gehört bei Rieter aber zum Geschäft. Am 26. Januar legt Rieter die Umsatzzahlen für 2021 vor. Der Kurs könnte bei guten Zahlen profitieren, denn die Erwartungen an Rieter sind derzeit hoch.

Idorsia: Erstes Medikament Daridorexant bekommt Zulassung

Das 2017 gegründete Biopharmaunternehmen hat diese Woche mit dem Schlafmittel Daridorexant in relativ kurzer Zeit die US-Zulassung für ein wichtiges Medikament erhalten. Der Aktienkurs hat sich innerhalb weniger Tage zwischen knapp 22 und 17,35 Franken bewegt. Die Kursbilanz ist eher ernüchternd, weil die Zulassung zwar ein grosser Erfolg ist, das Medikament selber aber auch Schwächen aufweist. 

Zum einen gibt es ähnliche Produkte von der Konkurrenz, zum anderen zeigt Daridorexant eine Reihe von - so Research Partners - "beunruhigenden" Nebenwirkungen wie mögliche Depressionen. Auf dem Markt erfolgreich sein könnte es dennoch, wie die Bank Vontobel die Aussichten einschätzt.

Für Anlegerinnen und Anleger wichtig ist aber die Beobachtung, dass Idorsia ein schlagkräftiges Forschungsunternehmen ist, das schneller marktfähige Produkte lanciert als etwa Basilea oder Santhera. Dies lässt die Aktie gut dastehen, auch mit Blick auf eine mögliche, für Anteilseigner lukrative Übernahme durch einen Pharmakonzern in den nächsten Jahren. 

Molecular Partners: Corona-Mittel regt Kursfantasien an

Mit Ensovibep hat das Biotechunternehmen Molecular Partners diese Woche auch ausserhalb von Finanzmedien Schlagzeilen gemacht. In einer Phase-II-Studie hat das Medikament zur Behandlung von Corona-Erkrankungen die Forschungsziele erreicht. Hospitalisierungen nach einer Infektion liegen mit den Mittel um 80 Prozent tiefer. 

Dass die Schweiz an 200’000 Dosen interessiert ist und andere Regierungen das Produkt ebenfalls bestellen dürften, hat zum enormen Kursanstieg der Molecular-Partners-Aktie geführt. Das Studienergebnis und die Tatsache, dass Novartis das Medikament einlizenziert und die Notfallzulassung anstrebt, haben den Kurs von Molecular Partners um fast die Hälfte ansteigen lassen. 

Wichtig ist jetzt, wie sich der Umsatz für das Medikament entwickelt. Research Partners geht davon aus, dass Novartis bis zum zweiten Quartal 2023 mit Ensovibep 1,98 Milliarden Franken Umsatz erzielen kann. Für Molecular Partners würden 573 Millionen abfallen. Wegen Virusvarianten muss das Medikament aber möglicherweise angepasst werden. Das Phase-II-Ergebnis der Studie jedenfalls hat das zuvor angeschlagene Börsenvertrauen in Molecular Partners ein Stück weit wiederhergestellt. 

Dufry: Viel Kritik, aber der Reise-Sommer könnte gut werden

Im bald zwei Jahre alten, pandemiegesteuerten Auf und Ab der Reisetitel hat Dufry im Moment Rückenwind. Noch im Dezember, als über die Omikron-Variante des Virus weniger bekannt war als jetzt, kürzten Analysten die Kursziele. Sollte die weltweite heftige Omikron-Welle des Coronavirus nun aber ein vorläufiges "Ende mit Schrecken" der Pandemie bedeuten, sieht der Sommer für Dufry und die ganze Reiseindustrie wohl ziemlich gut aus.

Ein Damoklesschwert über der Aktie ist eine neue Virusvariante, deren Auftauchen bei allen Vorbereitungen von Regierungen und Behörden zunächst vor allem eines bedeuten würde: um sich greifende Panik, deren erste Opfer an der Börse Reisetitel wären. 

Damit bleibt Dufry eine der grössten Wetten unter den Schweizer Aktien. Der Broker Kepler Cheuvreux rät sogar, von Dufry die Finger zu lassen - allerdings schätzt man dort das Passagieraufkommen an Flughäfen in diesem Jahr pessimistisch ein (der cash Insider berichtete). Anfällig ist der Dufry-Kurs nach wie vor auch wegen der wackeligen Bilanz und auch bezüglich der operativen Leistung. Weil die Prognosen derzeit so schwierig sind, tendieren die Analysten zu einem "Hold". 

(Grafiken: cash.ch)