Die Aktienmärkte befinden sich immer noch in einer Hausse, die USA steuern nicht auf eine baldige Rezession zu und die Federal Reserve wird eher eine sanfte Landung hinlegen. Das ist zumindest das Urteil von Jeremy Zirin von UBS Asset Management. "Das Chancen-Risiko-Verhältnis ist ziemlich ausgewogen", so Zirin, Senior Portfolio-Manager und Leiter der US-Aktienabteilung für Privatkunden bei der UBS-Tochter, die ein Vermögen von rund 1,2 Billionen Dollar verwaltet. 

"Normalerweise fällt der US-Aktienmarkt nicht in einen Bärenmarkt, es sei denn, es gibt eine Rezession. Ich denke, dass die Rezessionsrisiken zwar gestiegen sind, aber die grössten Risiken für die Aussichten scheinen meiner Meinung nach immer noch ziemlich überschaubar zu sein." 

Unter den Strategen an der Wall Street gibt es eine lebhafte Debatte über den aktuellen Zustand des Aktienmarktes und darüber, ob der Tiefpunkt des jüngsten Ausverkaufs erreicht wurde - oder ob die Erholung der letzten zwei Wochen nichts anderes als eine Bärenmarktfalle ist. Es ist nicht schwer, Gründe für die Vorsicht zu finden - der Krieg in der Ukraine hat den Rohstoffmarkt aus dem Gleichgewicht gebracht, während die Bemühungen der Fed, die rasant steigende Inflation einzudämmen, die Sorge vor einer Rezession geschürt haben. 

"Aber die Zentralbank wird wahrscheinlich eher eine weiche Landung hinbekommen", sagte Zirin und bezog sich dabei auf die Idee, dass die Fed die Zinssätze so weit anheben könnte, dass die Inflation gedämpft wird, ohne den Arbeitsmarkt oder die Wirtschaft abzuwürgen. Zudem sei die wirtschaftliche Dynamik zu Beginn dieses Zinserhöhungszyklus gut und die US-Konsumenten - mit einem erheblichen Überschuss an Ersparnissen - immer noch in guter Verfassung. 

Grafik: Bloomberg

Inzwischen sind amerikanische Unternehmen nur noch in geringem Masse in Russland engagiert und die US-Wirtschaft im Vergleich zu früheren Ölschocks weniger energieintensiv. Trotz eines Anstiegs von fast 5 Prozent in diesem Monat schliesst der S&P 500 sein schlechtestes Quartal seit März 2020 ab, einem Zeitraum, der den Beginn der Pandemie in den USA markierte. 

Tatsächlich konnten seit Anfang 2022 nur wenige Bereiche im Markt profitieren. Aktien haben gelitten - ebenso wie Staatsanleihen und Investment-Grade-Anleihen. Doch Zirin sagt: "Wir haben hier noch Luft nach oben". Aktienanleger müssten sich in der Regel nicht um die erste Zinserhöhung der Fed sorgen. Ausserdem sei die Ansicht berechtigt, dass Aktien dazu beitragen können, "die schädlichen Auswirkungen der Inflation" auszugleichen, da sie reale Cashflows generierten.

Obwohl Tech-Aktien im vergangenen Monat zu den Spitzenreitern gehörten, reagieren sie in der Regel empfindlich auf Zinsänderungen. "Ich glaube nicht, dass dies eine nachhaltige Rally bei Wachstumsaktien im Vergleich zu Value-Aktien ist", sagte Zirin. Viele Titel waren vor dem Aufschwung überverkauft, und es sei "schwer zu erklären, warum einige dieser Titel vor dem Hintergrund weiter steigender Zinssätze Auftrieb erhalten haben." 
Zirin ist der Meinung, dass Value-Aktien im Vergleich zu Growth-Aktien günstig sind. Da die Zinsen weiter steigen, erwartet er, dass der Bewertungsaufschlag der letzteren Gruppe schrumpfen wird. 

Andere Branchen, die Zirin empfiehlt: 

Finanzwerte: Der Sektor hat sich in letzter Zeit aufgrund grösserer Wachstumssorgen und der Abflachung der Renditekurve unterdurchschnittlich entwickelt. In seinem Basisszenario einer weiterhin robusten Wirtschaft könnten sich Finanzwerte jedoch gut entwickeln, wenn die Zinssätze steigen.

Energie: Die Ölpreise dürften in nächster Zeit hoch bleiben, und der Sektor erscheint unter bestimmten Gesichtspunkten preiswert. Schon bevor die Ölpreise nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine in die Höhe schossen, stiegen die Energiepreise aufgrund einer Verbesserung der wichtigsten Fundamentaldaten.

Zudem düfte die so genannte Wiedereröffnungsbranche dank des Nachholbedarfs bei Reisen und dienstleistungsorientierten Tätigkeiten gut abschneiden. Die kommerziellen Luft- und Raumfahrtunternehmen könnten davon profitieren.

(Bloomberg/cash)