Mit der Jahresend-Rally ist es wie mit dem Samichlaus: Man muss daran glauben. Zwar ist der Samichlaus nur ein verkleideter Mann (oder manchmal auch eine Frau), doch in der Vorstellung gehören diese Figur und ihre mystische Bedeutung zur Vorweihnachtszeit. Jahresendrallys an der Börse wiederum sind statistisch schwer voraussagbar, auch wenn der Index S&P 500 der New Yorker Börse in der Mehrheit der Jahresend-Monate seit 1969 positiv performte. Doch Jahr für Jahr ist von diesem Börsen-Phänomen die Rede. 

Vom Verhalten an den Finanzmärkten her gibt es einige Anhaltspunkte, die für steigende Kurse in den Monaten Oktober und speziell November und Dezember sprechen. Investoren suchen in dieser Zeit gerne noch nach Schnäppchen. Dieser Effekt führt dann dazu, dass häufig gegen Jahresende Value-Aktien verstärkt in den Fokus geraten.

Auch der Kalender spielt eine Rolle. Fonds versuchen vor dem Jahreswechsel, durch Zukäufe ihre Jahresperformance noch etwas "aufzuhübschen". "Window dressing" ist hierzu das Stichwort. Manche argumentieren auch, dass unmittelbar vor den Weihnachtstagen viele Trader schon in den Ferien sind und so weniger Leerverkäufer unterwegs sind. Die Unternehmenszahlen, die Ende Oktober und im November zum dritten Quartal vorgelegt werden, lösen oft Optimismus aus. Vor allem dann, wenn die Konjunktur gut läuft. In diesem Fall profitieren zahlreiche Branchen noch von der Konsumlust in der Vorweihnachtszeit. 

Von Bedeutung für eine mögliche Jahresend-Rally ist aber auch klar die Lage, in der die Aktienmärkte jeweils sind. Bewertungen sind immer ein Thema, und in vielen Aktiensegmenten sind diese schon seit Jahren hoch – tendenziell ein Argument gegen eine Rally. Die Gewinne der Unternehmen, die nach dem dritten Quartal publiziert werden, müssen keinesweges jedes Jahr als positiv interpretiert werden, selbst wenn diese in absoluten Zahlen gesteigen sind. 

Dieses Jahr neu ist die Diskussion um die Inflation sowie der angekündigte Plan der US-Notenbank Federal Reserve, die momentan 120 Milliarden Dollar schweren Anleihenkäufe pro Monat zu reduzieren. Auch die Lieferkettenprobleme, welch die Weltwirtschaft behindern, stellen 2021 und 2022 neue Herausforderungen dar.

Zentrale Fragen im Zusammenhang mit einer Jahresendrally sind: Hat der Markt die Straffung der amerikanischen Geldpolitik schon eingepreist? Erachten die Märkte die Gewinnqualität bei den Unternehmen als solide? Ist die derzeit im Jahrzehntevergleich sehr hoch gemessene Inflation vorübergehend, oder wird sie 2022 noch richtig weh tun? Und was ist mit der Rohstoff- und Warenknappheit in gewissen Branchen?

Dies ist die Gelegenheit für Sie als Leserin oder Leser von cash.ch, Ihre Meinung auszudrücken. Nehmen Sie dazu an der Umfrage teil: Kommt es Ihrer Einschätzung nach zu einer Jahresendrally oder nicht?

(cash)