Holcim gehört zu den SMI-Aktien mit dem höchsten Kurspotential. Der Abstand zwischen dem tatsächlichen Kurs und den gemittelten Price Targets der Analysten beträgt 30 Prozent. Die Daten, welche Analysten in ihre Berechnungsprogramme füttern, platzieren den grössten Zementkonzern der Welt punkto Börsenkurs an einem viel besseren Ort als in der heutigen Börsen-Realität.

Die Holcim-Aktie hat im bisherigen Jahresverlauf eine Kursbilanz von -4 Prozent. Im SMI, der auf ein Plus von 17 Prozent seit Januar kommt, sind nur noch Novartis, Logitech und die Credit Suisse negativ. Für alle Unterperformer gibt es firmenspezifische Gründe. Fondsmanager, Anlagespezialisten oder Analysten sehen den Grund für die schlechte Kursbilanz der Holcim-Aktie mehr und mehr bei ESG. "Das Image von Holcim diesbezüglich ist einfach schlecht", heisst es bei Investoren.

Zement und Beton sind nicht umweltfreundlich, was sich auch nicht leicht von heute auf morgen ändern lässt. Der Bau und der Unterhalt von Gebäuden verursachen rund 40 Prozent der CO2-Belastung auf dem Planeten. Dies ist zusehends ein Problem für Investoren und damit den Aktienkurs von Holcim.

Zwar sind die Regeln bezüglich ESG – Umwelt, Sozialstandards und Unternehmenspolitik – unter den Anlagegesellschaften nicht einheitlich. Aber es gibt Fonds, deren Klimaschutz-Regeln so streng sind, dass die Holcim-Aktie allein einen Grossteil der erlaubten CO2-Bilanz des Portfolios ausmachen würde. Entsprechend verzichten sie dann auf die Aktie.

Der Kurs der Holcim-Aktie seit Anfang 2018 (Grafik: cash.ch).

Der Konzern versucht gegenzusteuern. Bei der CO2-Belastung durch Gebäude entfallen über zwei Drittel auf den Betrieb, der Rest auf den Bau. Bei beiden Faktoren will Holcim zu einer klimaschonenderen Bauwirtschaft beitragen.

Initiativen dafür sind Bauschutt, der zu Baustoff verarbeitet und wiederverwendet wird, ökologischere Mischungen bei Zement und Dämmstoffen, und bei diesen auch verbesserte Dämmeigenschaften. Vor diesem Hintergrund hatt Holcim im März die Übernahme US-Dachkonstruktionsunternehmen Firestone angekündigt. "Grüner" Beton muss aber erst noch zugelassen werden. Weitere Klima-Initiativen des Konzerns sind zum Beispiel elektrifizierte Zement-Lastwagen und Abbau-Fahrzeuge in Kieswerken.

Bis 2025 soll die Sparte Lösungen & Produkte, zu der Firestone gehört, 30 Prozent des Konzernumsatzes ausmachen. Dazu soll zum einen Firestone den Umsatz verdoppeln, doch es braucht zum andern laut Konzernchef Jan Jenisch wohl Zukäufe im Wert von rund 4 Milliarden Franken. Dabei darf Holcim aber die Verschuldung nicht zu stark nach oben treiben. Deswegen dürfte sich Holcim in den nächsten Jahren noch von Ländergesellschaften trennen. Wo, ist relativ klar. In Europa und Nordamerika sind klimafreundliche Initiativen, wie sie vergangene Woche am Investorentag von Holcim präsentiert wurden, einfacher umzusetzen als in Schwellenländern.

Dank «Best-in-Class» gegen «ESG-Discount»?

Für Anlegerinnen und Anleger bleibt Holcim trotz des grossen Klima-Problems eine spannende Aktie. Denn Holcim geht derzeit schneller vor als die Konkurrenz: "Bezüglich Nachhaltigkeit ist die Gesellschaft in unseren Augen bereits 'Best-in-Class", schreibt die Helvetische Bank. Der "ESG-Discount" der Aktie dürfte sich reduzieren, wenn Holcim nicht mehr als Sündenbock, sondern als Teil einer klimafreundlicheren Bauwirtschaft gesehen werde.

Die heutigen Initiativen bei Holcim lassen das Unternehmen unter den Industrien, die als "Klimasünder" verschrien sind, besser dastehen als andere. Der Markt wartet allerdings auch weitere Präsentationen, wie Zement und der Bau zu einer umweltfreundlicheren Welt beitragen können. Die Skepsis bleibt wohl für den Moment bestehen. Für die Transformation an der Börse wird man belohnt, wenn Ergebnisse klar vorliegen. Bei der Transformation zu einem grüneren Konzern macht das Unternehmen Dampf. "Net Zero" will man 2050 schaffen. "Ein Zementkonzern wird Holcim wir aber bleiben", sagte CEO Jenisch.