"Vernichten" ist ein unschönes Wort. Aber genau dies passiert mit etwa 53 Millionen Inhaberaktien des Basler Pharmakonzerns Roche. Das Unternehmen kauft dem Mitbewerber Novartis diese Aktie nicht nur ab, wie vergangene Woche überraschend bekannt gegeben wurde. Die Aktien, deren Wert 19 Milliarden Franken beträgt, werden eben auch aus dem Umlauf genommen. Damit wird es weniger Roche-Aktien geben als bisher.

Dieser Schritt hat Roche an der Börse nach Bekanntwerden des Deals genützt. Sowohl die Roche-Inhaber-Aktien stiegen an, mit denen die Transaktion stattfindet, als auch die Roche-Genussscheine, in welche die meisten Anlegerinnen und Anleger investieren und die im SMI gelistet sind.

Eine Signalwirkung ist durchaus erwünscht

Für den Kauf des Roche-Aktienpakets, das Novartis 2001 vom Investoren Martin Ebner übernommen hatte, gibt es eine Reihe von unternehmenspolitischen Gründen. Die Entflechtung beider Firmen ist eine Folge, der Anstieg des Mehrheitsanteils der Roche-Erbenfamilie Hoffmann-Oeri auf bis zu 75 Prozent eine andere. Anlegerinnen und Anleger interessiert aber auch, wie sich dies auf ihre Investments auswirkt. 

Roche führt nichts anderes als einen Aktienrückkauf durch. Solch ein Schritt ist keine Seltenheit - besonders ist allenfalls, dass die zurückgekauften Aktien bei Roche nur von einem Aktionär stammen. Wie bei Roche sichtbar, ist ein wichtiges Motiv der Aktienrückkäufe, dass die Reduktion des Aktienbestands eine einzelne Aktie wertvoller macht - ablesbar etwa ist dies an der Kennzahl "Gewinn pro Aktie" oder EPS. Dies soll dem Aktienkurs nützen.

Aktienrückkäufe sind ein Instrument des Managements

Diese Form der Kurspflege wird auch als "Signalling" bezeichnet. Eine Signalwirkung soll vor allem auch dann erzeugt werden, wenn der Kurs einer Aktie als unterbewertet gilt. Indirekt gibt dann auch das rückkaufende Management ein Signal ab, dass in einer Aktie mehr stecken dürfte. Untersuchungen legen auch nahe, dass Überrenditen gehäuft bei Aktien auftreten, die vor der Ankündigung des Aktienrückkaufs von Analysten besonders stark heruntergestuft wurden. Stärker scheint der Effekt noch zu sein, wenn es sich um kleinere Unternehmen mit relativ geringer Analysten-Abdeckung handelt.

Zum "Share Buyback" greifen aber Unternehmen jeder Grösse. Mehrere SMI-Mitglieder - Credit Suisse, UBS, Swiss Re, Swiss Life oder Logitech beispielsweise - haben in den vergangenen Jahren Aktienrückkäufe durchgeführt oder führen sollte noch durch. Auch kleinere Firmen wie Huber+Suhner oder Lastminute.com haben dieses Jahr den Rückkauf eigener Aktien aufgelegt. Ein CEO, der gerade keine Kurspflege per Aktienrückkauf tätigen will, ist Holcim-Chef Jan Jenisch. Im Oktober sagte er, es gebe keine entsprechenden Pläne. 

Tatsache ist aber, dass die Top-Chargen von börsenkotierten Firmen Aktienrückkäufe oft mit grossen Worten anpreisen. Auch Roche-Präsident Christoph Franz bemühte sich vergangene Woche, den Novartis-Deal in möglichst gutem Licht erscheinen zu lassen. Die Unternehmen haben durch diesen Vorgang einige Vorteile. Manchmal sind diese steuerlicher Natur, aber eine Verdichtung des Aktienkapitals kann auch besser vor Übernahmen schützen. Wenn die Aktien nicht wie im aktuellen Fall bei Roche vernichtet werden, kann sie das Unternehmen beispielsweise für Aktien-Boni von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einsetzen. 

Doch es gibt eine wichtige Kehrseite. Aktienrückkäufe sind nicht sehr originell. Ein Management kann den Eindruck erwecken, nicht besser zu wissen, wohin man mit dem Geld soll. Denn die Mittel für den Aktienrückkauf könnten auch für Dividendenerhöhungen oder Sonderdividenden verwendet werden. Geld, das in Aktienrückkäufe geht, fliesst nicht in potentiell zukunftsweisende Investitionen wie Forschung, Entwicklung oder Zukäufe. Ein Aktienrückkauf kann dahingehend interpretiert werden, dass Wachstumsmöglichkeiten an die Grenzen stossen. 

Gleiche Absicht, unterschiedliche Resultate

Für Anlegerinnen und Anleger ist dies ein wichtiger Punkt. Eine Credit Suisse beispielsweise überzeugt den Markt mit Aktienrückkäufen offensichtlich nicht. Der Börsenkurs zeigt, dass andere Probleme beim diesjährigen SMI-Schlusslicht schwerer wiegen. Auch die Swiss Re kauft gern eigene Aktien zurück, wobei sie auch üppig Dividende ausschüttet. Der Kurs dieser Rückversicherer-Aktie kommt aber seit Jahren nicht so richtig vom Fleck. Bei einer Swiss Life wiederum dürften neben der gestiegenen Dividende auch die Aussicht auf weitere Aktienrückkäufe ein positives Bild vermitteln. Top-Performerin bei den Schweizer Versicherern in diesem Jahr ist die Swiss Life aber auch dank des Geschäftsmodells, das derzeit als funktionierend erachtet wird. 

Das Beispiel Swiss Life zeigt jedoch: Eine wichtige Rolle spielen Aktienrückkäufe für die Erwartungen des Marktes. Diese können viel zur Kursentwicklung beitragen. Wenn ein Unternehmen über eine volle Kasse verfügt, weckt dies Begehrlichkeiten auch im Aktionariat. Entsprechen spekulieren Fonds, Aktienstrategen oder Analysten viel und häufig über mögliche Aktienrückkäufe. 

Die Zustimmungsrate zu Aktienrückkäufen an Generalversammlungen zeigt, dass dieses Instrument generell bei Anlegerinnen und Anlegern beliebt ist. Zwar lieben Aktionäre auch Dividenden. Diese müssen aber in der Schweiz versteuert werden, etwaige Kursgewinne - mit oder ohne Aktienrückkauf - hingegen nicht. Ansonsten aber hilft nichts: Je nach Unternehmen, Management und aktuellem Börsenwert einer Firma kann ein Aktienrückkauf Unterschiedliches auslösen. 

Auf die Motive kommt es an

Management-Entscheide wie Aktienrückkäufe sind Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen. Eine Tatsache ist aber, dass sowohl über Motive, Nutzen und Auswirkungen von Aktienrückkäufen kontrovers debattiert wird. Für Anlegerinnen und Anleger ist wichtig, auf die Motive bei Aktienrückkäufen schauen: Werden Aktien vernichtet, ist dies für den Kurs letztlich besser, als wenn die zurückgekauften Aktien in Vergütungssysteme fliessen.

Zahlt das Management eine Prämie, macht diese ein Aktie attraktiv. Zahlt es eine zu hohe Prämie, kann dies als Akt der Verzweiflung interpretiert werden. Interessant ist aber auch, inwiefern grosse Aktionäre bei Aktienrückkäufe Anteile anbieten: Tun sie das nicht, ist dies ein Hinweis auf ein eher hohes Vertrauen in ein Unternehmen. Im Endeffekt ist ein Aktienrückkauf aber nur ein Gesichtspunkt, der für eine Aktie sprechen kann. 

Häufen sich die Aktienrückkäufe oder die Spekulationen darüber, ist dies auch ein Zeichen für einen unruhigen Markt. In den USA dürften die Unternehmen nach der Drittquartalsaison, die im Moment läuft, so viele eigene Aktien zurückkaufen wie noch nie, wie Bloomberg berichtete. Wenn der Markt wirklich unruhig wird, dann hilft auch die beste Kurspflege via Aktienrückkauf nicht mehr viel. Nachhaltige Kurspflege gibt es nur, wenn das Management auch glaubwürdig handelt.