Herr Stauffer: Der Goldpreis ist im Steigflug. Wie stark wird sich das Edelmetall noch aufwerten?

Jacques E. Stauffer: Die akkommodierende Notenbankpolitik hat in den letzten Jahren zu einem Überfluss an Geld geführt. Gold ist hingegen ein begrenztes, seltenes und ausserordentlich beliebtes Gut. Ob Geld an Wert verliert oder Gold an Wert zunimmt, ist eine Frage der Perspektive. Gold wird aber auch ohne eine Dividende abzuwerfen auf lange Sicht teurer werden.

Womöglich wird die Schweizerische Nationalbank diese Woche den Leitzins weiter senken. Welche Folgen hätten noch tiefere Minuszinsen für die Entwicklung des Frankens und der Schweizer Wirtschaft?

Die Zinsen können als Wert des Geldes angesehen werden – und folgerichtig ist Geld heute nur noch wenig wert. Im Gegensatz dazu werden Basis-Sachwerte immer teurer. In der Schweizer Wirtschaft hatten Rohstoffe, Immobilien, Qualitätsprodukte und hochwertige Arbeit schon immer einen hohen Stellenwert. Diese Faktoren werden die hiesige Wirtschaft weiter stützen. Der Franken wird als knappes und weltweit gefragtes Gut seine Stabilität im Vergleich zu anderen Währungen bewahren.

Apple versucht sich von der Abhängigkeit vom Umsatztreiber iPhone zu lösen. Wie beurteilen Sie die Zukunftsaussichten des US-Konzerns?

Apple hat soeben das neue iPhone 11 und das iPhone Pro vorgestellt. Die Neuerungen sind in der Kamera und im eigenen Chip 13 zu finden. Damit kann sich Apple jedoch nicht als Innovator feiern lassen. Apple hat eine Konkurrenzposition zu Netflix, Spotify und anderen Unternehmen eingenommen, eine Rolle, die Apple nicht wirklich gut steht, da der iPhone-Hersteller mit einzigartiger Hardware zum Milliardenunternehmen wurde.

Und was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte sonst noch?

Die Märkte sind in Bezug auf die konstanten Schlagzeilen zum Handelskrieg und der Zinsentwicklung gesättigt. Grundsätzlich trachten alle Investoren nach etwas mehr Rendite, und dies verleitet sie, ungewollte Risiken einzugehen. Die Risiken liegen erfahrungsgemäss dort, wo sie nicht erwartet werden – zum Beispiel bei Nestlé mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 35 und einer Rendite von 2,27 Prozent. Der Kurssprung von 35 Prozent seit Anfang Jahr sollte den vernünftigen Investor skeptisch stimmen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?

Viele risikoscheue Investoren und der Höhenflug des Schwergewichts Nestlé haben den SMI auf ein Allzeithoch geführt. Nestlé macht zurzeit fast 30 Prozent des SMI aus, vor wenigen Monaten lag das Gewicht des Lebensmittelgiganten noch bei 22 Prozent. Das kann kein gutes Ende nehmen, eine Korrektur ist in dieser Konstellation sehr wahrscheinlich.

Wo steht der SMI in 12 Monaten?

In den kommenden zwölf Monaten dürfte es dem Swiss Market Index nicht gelingen, einen allfälligen Rückschlag von Nestlé durch Avancen anderer Titel vollständig aufzufangen. Es ist mit einer leichten Korrektur des SMI zu rechnen; bestenfalls könnte eine Branchenrotation den Indexstand halten. Mit einer guten Titelauswahl kann aber auch in solchen Marktphasen eine ansprechende Rendite erwirtschaftet werden.

Volkswagen setzt voll auf die Elektromobilität. Was halten Sie von dieser Strategie? Und rechnen Sie mit einem Engagement des deutschen Autokonzerns bei Tesla?

Bei VW herrscht schon seit längerem Chaos: Zuerst will Porsche das eigene Mutterunternehmen übernehmen, dann wird kräftig in Porsche investiert, und kurz darauf erschüttert der Dieselskandal das Unternehmen. Jüngst wurde verkündet, die Elektromobilität solle die neue Unternehmens-DNA werden. Da stellt sich die Frage: Ist Volkswagen für Käufer von Elektrofahrzeugen glaubwürdig? Die notwendigen Investitionen werden den Konzern als «Late Follower» einiges an Reserven kosten. VW zahlt einen hohen Preis für das jahrelange Festhalten an der eigenen, veralteten Technologie. Das kommt weder bei Investoren noch Kunden gut an. Vermutlich würde sich VW sehr gerne bei Tesla engagieren. Für Tesla dürfte dies jedoch kaum wünschenswert sein.

Das Interview erschien zuerst bei handelszeitung.ch unter dem Titel: «VW würde sich vermutlich gern bei Tesla engagieren»