"Fallende Aktienkurse sind kein guter Indikator für eine bevorstehende Rezession", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer der Nachrichtenagentur Reuters. "Denn in den Aktienkursen schlagen sich nicht nur Konjunkturerwartungen nieder, sondern auch viele andere Faktoren – wie eine mögliche Überbewertung von Aktien oder die künftige Zinspolitik der Zentralbanken." Viele Börsen weltweit stehen seit Wochen unter Druck, der deutsche Leitindex Dax etwa ist in dieser Woche auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren gefallen.

"Den Börsen schlagen eher die politischen Themen auf den Magen", erklärte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen, mit Blick auf Risiken wie den Brexit, Handelskonflikte oder die Lage in Italien. "Das vermiest etwas die Stimmung." Einen nennenswerten Dämpfer für die Wirtschaft wegen der Börsenschwäche erwartet der Experte aber ebenfalls nicht. Gwerade in europäischen Ländern wie in Deutschland sei die Zahl der Aktionäre eher gering. Daher blieben große Teile der Bevölkerung von den Vermögensverlusten unberührt.

"Andere Länder sind da empfindlicher, etwa die USA", sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Dort sind die Börsenkurse auf ein Jahrestief gefallen. "Das kann das eine oder andere Zehntelprozentpunkt Wachstum kosten." 

"Fallende Aktienkurse signalisieren nur dann eine ernste Gefahr, wenn die Märkte zuvor zu stark gestiegen waren und die Unternehmen dazu verleitet haben, zu viele Schulden aufzunehmen und zu viel zu investieren", sagte Commerzbank-Chefökonom Krämer. Dies sei etwa beim Platzen der Dotcom-Blase um das Jahr 2000 herum der Fall gewesen. Der deutschen Wirtschaft mache derzeit zu schaffen, dass China wegen hausgemachter Probleme und der Handelstreits mit den USA weniger nachfragen. Die Regierung in Peking steuere aber gegen. "Die chinesische Wirtschaft wird nicht abstürzen, sondern sich das Wachstum weiter moderat abschwächen", erwartet Krämer. "Deshalb sollte auch die Schwäche der deutschen Wirtschaft in den kommenden Monaten auslaufen. Der Aufschwung wird sich fortsetzen, wenn auch mit deutlich niedrigeren Zuwachsraten."

(Reuters)